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Kommt mit dem Urteil zum Ehegattensplitting die nächste Schlappe auf die Union zu?

© dpa

Homo-Ehe und Ehegattensplitting: Die CDU hat Angst vor neuer Ohrfeige

Ein Urteil nach dem anderen lässt die CDU ihre Positionen ändern. Das gilt für die Homo-Ehe genauso wie für das Ehegattensplitting. Viele Parteimitglieder sind überrascht. Hinter den Positionswechseln dürfte die Angst vor einer weiteren Ohrfeige stecken.

Von Robert Birnbaum

Andreas Voßkuhle wundert sich. Der Präsident des Bundesverfassungsgerichts ist zwar nicht der Einzige, den die Kehrtwende der CDU in Sachen Homo-Gleichstellung zu Kopfschütteln bringt; aber der Jurist hat dafür gewichtige Gründe. Dass die Entscheidung seines Gerichts zur Sukzessivadoption in eingetragenen Partnerschaften die Debatte ausgelöst habe, „hat mich überrascht“, bekundet Voßkuhle am Montag. Denn der Spruch sei „sehr vorhersehbar“ gewesen.

Das kann man wohl sagen. Seit der Einführung der Eingetragenen Lebenspartnerschaft hat sich das Verfassungsgericht immer wieder mit Klagen von Schwulen und Lesben befassen müssen, die sich gegenüber Hetero-Ehepaaren benachteiligt sahen. Immer wieder gab das Gericht ihnen Recht, und stets folgte es der gleichen Linie: Das Grundgesetz stellt Ehe und Familie unter besonderen Schutz – aber das heißt nicht Diskriminierung anderer, ähnlich verbindlich gestalteter Lebensgemeinschaften. Ungleichbehandlung sei nur rechtens bei „hinreichend gewichtigem Sachgrund“.

Dass der nach Ansicht der Karlsruher Richter nicht mal im Erbrecht vorliegt, in dem es immerhin um Generationenfolgen geht und damit um die exklusive Möglichkeit von Hetero-Partnern, gemeinsame Kinder in die Welt zu setzen, das hat die Politik seit 2010 schriftlich. Seit Voßkuhle letzte Woche ankündigte, dass ein Urteil zum Ehegattensplitting noch vor der Wahl fällt, ist die nächste Ohrfeige für die Union also wieder absehbar.

Trotzdem ist nicht nur Voßkuhle verblüfft; selbst im engsten Führungskreis der Union gibt es ein paar Verblüffte. Das hat mit dem Tempo zu tun, mit dem die Fraktionsführung um Fraktionschef Volker Kauder eine Bastion räumte, die Kauder, die Vorsitzende Angela Merkel und etwa 60 Prozent des CDU-Parteitags noch Anfang Dezember in Hannover verteidigt hatten. Am Dienstag wurde in Karlruhe das jüngste Urteil verkündet; tags darauf war schon klar, dass Kauder dem nächsten Urteil zuvorkommen und die Gleichstellung von Homo- und Heteropaaren umfassend regeln möchte. Selbst im Kanzleramt war man von dieser „Raschheit des Willens“ überrascht.

Inzwischen stehen Merkels Truppen leicht auf der Bremse – nicht inhaltlich, obwohl Merkel „persönlich“ ihre Haltung nicht geändert habe, aber prozedural. Man habe, heißt es, großes Verständnis für die Reaktion der CSU, die auf sorgfältiger Beratung und Debatte besteht; man müsse doch auch die Partei mitnehmen.

Nur bleibt dafür im Wahlkampfjahr kaum Zeit. Genau darin sehen die eine Chance, denen die neue Linie nicht passt. „Bei allem Respekt vor der Wendefähigkeit mancher Unionspolitiker“, sagt etwa der Abgeordnete Michael Brand, „wäre es schon wundersam, wenn wir so kurz nach einer sehr guten Debatte auf dem Parteitag die dort beschlossene Position ohne Not abräumen würden.“ Brand findet, bis 2014 sei genug Zeit für eine Neuregelung, und außerdem: „Es bleibt wünschenswert, dass die Halbwertszeit politischer Positionen die Zeit der Rückfahrt von Berlin in den Wahlkreis überdauert.“ Da spricht nicht nur der Konservative aus dem katholischen Fulda, sondern auch der besorgte Hessen-Wahlkämpfer.

Allzu durchsetzungsstark sind solche Positionen freilich selbst in konservativen Verbänden der CDU nicht mehr. So hat der Landesvorstand Baden-Württemberg am Montag zwar beschlossen, dass bei der Adoption eines Kindes durch ein homosexuelles Paar die Grenze überschritten wäre. Doch der Landeschef, Thomas Strobl, darf weiter dafür werben, Homo-Paare steuerlich gleichzustellen.

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