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Horn von Afrika: Was kann gegen den Hunger getan werden?

Es ist die schlimmste Dürre seit 60 Jahren. Millionen Menschen sind auf der Flucht. Somalias Bewohner fliehen insbesondere in das Nachbarland Kenia, wo jedoch selbst fast 2,5 Millionen Menschen unter Wassermangel leiden.

Der Hunger wütet in diesen Wochen am Horn von Afrika, rund zwölf Millionen Menschen sind vom Tod bedroht. Insgesamt befindet sich ein Viertel der rund 7,5 Millionen Somalier auf der Flucht – innerhalb und außerhalb der Grenzen. Die blanke Not entvölkert ganze Regionen. Somalias Bewohner fliehen insbesondere in das Nachbarland Kenia, wo jedoch selbst fast 2,5 Millionen Menschen unter Wassermangel leiden. Dort vegetieren sie in überfüllten Camps vor sich hin.

Was macht die Lage in Somalia

so dramatisch?

Das Hauptproblem für eine Lösung der Notlage besteht darin, dass seit dem Sturz des Diktators Siad Barre im Jahre 1991 und dem Zusammenbruch fast aller staatlichen Institutionen ein permanenter Bürgerkrieg in Somalia herrscht. Lediglich die selbsternannte Republik Somaliland im Nordwesten des Staatsgebietes hat sich der Anarchie erfolgreich widersetzt und einen in Ansätzen funktionierenden Staat geschaffen.

Den Süden Somalias kontrollieren seit Langem Shabab-Milizen, sie bedrohen die international anerkannte Übergangsregierung in Mogadischu. In den letzten Monaten haben die Kämpfer jedoch zunehmend Boden an die vor allem von Ugandern gestellte Friedenstruppe verloren. Viel wird nun vor allem vom weiteren Vorgehen der somalischen Übergangsregierung abhängen. Sie hat gerade erst die für dieses Jahr geplanten Wahlen bis 2012 verschoben, um bis dahin ihre Kontrolle über die Hauptstadt weiter auszubauen. Allerdings gibt es weiterhin viel internen Streit zwischen den Vertretern, die eine Regierung von Somalis aus allen Landesteilen anstreben und jenen, die nur die Interessen ihrer Clans im Auge haben.

Bis vor Kurzem zeichnete sich die somalische Übergangsregierung insbesondere durch ihre Ineffizienz aus. Das liegt auch daran, dass die Mitglieder des immer weiter aufgestockten Parlaments nie gewählt, sondern von den unzähligen Clanführern im Land benannt wurden. Doch wo der Staat fehlt oder versagt, gibt es auch keine befestigten Straßen, Eisenbahnen oder Wasserwege, die zur Bekämpfung einer Hungersnot benötigt werden. Die fehlende Zentralgewalt hat aber weitere Probleme zur Folge: So wurden gecharterte Frachtschiffe mit Nahrungsmitteln wiederholt von somalischen Piraten gekapert. Dann untersagte plötzlich auch noch die militante Shabab jegliche Hilfslieferungen von außen. Dieses Verbot wurde erst letzte Woche aufgehoben, als die Lage im Land immer weiter eskalierte.

Der Hunger kann daher auf Dauer nur durch neue politische Strukturen gelöst werden: Seit Jahren wird daher im In- und Ausland darüber debattiert, wie die Staatsruine Somalia stabilisiert und in dem Bürgerkriegsland zumindest die Grundlage für einen Rechtsstaat gelegt werden kann.

Wie geht es den Nachbarstaaten?

Nicht viel besser ist die Lage im benachbarten Äthiopien mit seinen über 80 Millionen Menschen. Hier ist vor allem der Südosten vom Hunger betroffen. Seit Jahren weisen Experten darauf hin, dass das trockene Gebirgsland nicht annähernd eine solch hohe Bevölkerungszahl tragen kann – und die nächste Hungersnot deshalb programmiert sei.

Das Gleiche gilt für die meisten Sahel-Staaten wie etwa den Niger, wo die Männer in den islamisch geprägten Regionen im Norden im Schnitt sieben Frauen mit mehreren Kindern pro Frau haben. Seit der Unabhängigkeit im Jahre 1960 hat sich die Bevölkerung des Trockenstaates auf diese Weise auf über 12 Millionen Menschen mehr als vervierfacht - und steigt weiter, ohne dass die Anbaumethoden angepasst würden. Dennoch unternimmt weder die Regierung dort noch in Äthiopien etwas, um die Bevölkerungsexplosion zu stoppen oder das Land produktiver zu nutzen, etwa durch eine Agrarreform, die den Kleinbauern eine gewisse Rechtssicherheit für ihr Land geben würde. Auch fehlen oft einfachste Dinge wie modernes Ackergerät, Dünger oder Bewässerungsanlagen. Nur knapp 4 Prozent der landwirtschaftlich nutzbaren Fläche wird in Afrika derzeit künstlich bewässert – verglichen mit über 40 Prozent in Südasien, heißt es im Afrikareport der Experten der Credit Suisse. Viele Bauern seien somit ganz auf das Eintreffen des Regens zur richtigen Zeit angewiesen.

Was tut die Weltgemeinschaft

gegen Hunger?

Die Staats- und Regierungschefs der Uno hatten sich 2000 auf das Erreichen der sogenannten Millenniumsentwicklungsziele bis 2015 geeinigt. Jetzt aber droht die Zeit davonzulaufen. „Der Fortschritt geht an den Menschen vorbei, die ganz unten auf der Leiter stehen“, warnt Uno-Generalsekretär Ban Ki Moon. „Zu viele von ihnen sind ängstlich, zornig und verletzt“, schreibt Ban im neuesten Bericht über die Millenniumsentwicklungsziele (MDG) der Vereinten Nationen. Die acht Ziele mit jeweiligen Unterzielen gelten als wichtigstes Projekt der Uno im Kampf für eine bessere Welt.

Was sind die Millenniumsziele?

Die MDG zielen auf eine deutliche Reduktion von Armut, Hunger und Krankheiten sowie der Mütter- und Kindersterblichkeit, sie schreiben einen universellen Zugang zur Schulbildung vor, und sie verlangen die Gleichstellung von Mann und Frau. Doch räumen Uno-Experten ein, dass nicht alle Vorgaben erfüllt werden können. „Uns droht das Scheitern“, sagt ein hoher Uno-Beamter.

Um die Blamage noch abzuwenden, fordert die Uno in den verbleibenden Jahren bis 2015 erhöhte Anstrengungen. Nötig wäre eine Aufstockung der Entwicklungshilfe von derzeit 130 Milliarden auf 350 Milliarden US-Dollar jährlich. Auch die Machthaber vieler armer Länder müssten das Wohl ihrer Völker über das Eigeninteresse stellen.

Welche zentralen Ziele geraten

außer Reichweite?

Im Kampf gegen den Hunger macht sich aber Verzweiflung breit. Anfang der 90er Jahre hungerten etwa 842 Millionen Menschen. Heute leiden nach Informationen des United Nations World Food Programme 925 Millionen Menschen Hunger – trotz der Fortschritte im Kampf gegen die Armut. Ein gefährlicher Mix aus einer ständig wachsenden Weltbevölkerung, blutigen Konflikten, hartnäckiger Unterentwicklung und den Folgen der Erderwärmung lässt im globalen Kampf um das tägliche Brot so viele Verlierer zurück.

Somalia ist ein besonders krasser Fall der Hoffnungslosigkeit, aber nicht der einzige: Weltweit können sich Milliarden Menschen nicht aus dem Elend befreien. Die Uno beklagt etwa die mangelnden Fortschritte beim Zugang zu sanitären Anlagen. Rund 2,6 Milliarden Männer, Frauen und Kinder sind noch immer von ordentlichen Toiletten und Waschgelegenheiten abgeschnitten. Noch immer erhalten Millionen Kinder keine elementare Schulbildung.

Und auch gegen tödliche Krankheiten wie Malaria, Aids und Tuberkulose hat die Weltgemeinschaft keinen Durchbruch erzielen können – trotz der vielen Erfolgsmeldungen, mit denen Funktionäre die offiziellen Schriften der Vereinten Nationen schmücken.

Welche Ziele sind noch erreichbar?

Immerhin hoffen die Uno-Experten, dass die Welt das zentrale Ziel der Armutsbekämpfung noch knapp erreichen kann. Laut der Vorgabe soll zwischen 1990 und 2015 der Anteil der Menschen halbiert werden, die in extremer Armut leben. Schätzungen zufolge lebten 1990 rund 1,8 Milliarden Menschen mit weniger als 1,25 US-Dollar pro Tag, sie galten als extrem arm. Im Jahr 2005 waren es 1,4 Milliarden Menschen. Bis 2015 könnte die Zahl der extrem Armen auf 900 Millionen Menschen sinken – falls die Weltwirtschaft nicht wieder auf einen gefährlichen Schlingerkurs gerät.

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