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Horst Köhler: "Eine Epochenwende zur Freiheit"

Hunderttausende feiern den 20. Jahrestagdes Mauerfalls in Berlin. Köhler erklärt, der 9. November bleibt immer auch Tag der Reichspogromnacht. Merkel würdigt die Demokratiebewegung in Polen. Als Höhepunkt das "Fest der Freiheit" am Brandenburger Tor.

Von Lutz Haverkamp

Berlin - Hunderttausende Berliner und Touristen sowie zahlreiche Staatsgäste aus aller Welt haben am Montag bei mehreren Veranstaltungen in der Hauptstadt des Mauerfalls vor 20 Jahren gedacht. Auch international würdigten viele Feierlichkeiten den 9. November 1989. Bundeskanzlerin Angela Merkel erinnerte mit einem Spaziergang über die Bösebrücke am ehemaligen DDR-Grenzübergang Bornholmer Straße an die historischen Ereignisse. Der Mauerfall sei das „Ergebnis einer langen Geschichte von Unfreiheit und vom Kampf gegen die Unfreiheit“ gewesen, sagte die Kanzlerin in einer kurzen Ansprache auf der Brücke, wo im November 1989 die ersten DDR- Bürger in den Westen gelangten.

Begleitet wurde die deutsche Regierungschefin unter anderem vom ehemaligen sowjetischen Staatschef Michail Gorbatschow und Polens Ex-Präsident und Mitbegründer der Gewerkschaft Solidarnosc, Lech Walesa. Auch Bundestagspräsident Norbert Lammert, Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit und mehrere Bürgerrechtler nahmen an dem historischen Spaziergang teil.

Merkel würdigte die Solidarnosc als Wegbereiterin für die Wende in der DDR. Die Gewerkschaftsbewegung sei eine „mutige Erhebung“ und „eine unglaubliche Ermutigung“ für die Menschen in der damaligen DDR gewesen. An Gorbatschow gewandt sagte sie: „Sie haben mutig die Dinge geschehen lassen, und das war viel mehr, als wir erwarten konnten. Ein herzliches Dankeschön dafür.“

Für Bundespräsident Horst Köhler sind die beiden Jahrestage am 9. November, der Mauerfall und die Reichspogromnacht, untrennbar miteinander verbunden. „Die Teilung konnte auch deshalb überwunden werden, weil wir Deutsche die nötigen Lehren aus unserer Geschichte zwischen 1933 und 1945 gezogen haben“, erklärte Köhler, der den Mauerfall als „eine Epochenwende zu Freiheit und Demokratie“ bezeichnete. „Der 9. November 1989 war ein Tag der Freude“, sagte der Bundespräsident bei einem Staatsempfang in Schloss Bellevue in seiner vorab verbreiteten Rede. „An diesem Tag der Freude heute vergessen wir nicht den 9. November 1938.“ Er erinnerte daran, dass damals überall in Deutschland jüdische Bürgerinnen und Bürger angegriffen, zu Hunderten getötet oder in den Selbstmord getrieben und fast alle Synagogen zerstört oder geplündert wurden. Weil die Deutschen die nötigen Lehren aus der Geschichte gezogen hätten, „darum hat die Welt uns 1989 vertraut. Darum haben wir die Einheit in Freiheit wiedererlangt. Diesen Zusammenhang und die daraus wachsende Verantwortung werden wir immer beherzigen“, versprach Köhler.

Die Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland, Charlotte Knobloch, forderte eine stärkere Beachtung des Jahrestages der Reichspogromnacht vom 9. November 1938. Knobloch bedauerte es in München, dass in diesem Jahr das Gedenken an diese Nacht von der Freude über 20 Jahre Mauerfall „überlagert“ werde. In Zukunft müsse ein Weg gefunden werden, um beider Ereignisse „in angemessener Form“ zu gedenken.

Auch in vielen anderen Ländern wurde an das historische Ereignis erinnert. In London schmolz symbolisch eine Mauer aus Eis. Auf der Pariser Place de la Concorde wurden am Abend Tausende zu einer Licht- und Tonschau erwartet, die per Live-Schaltung mit dem Festakt in Berlin verknüpft werden sollte. In Rom wurde mit einem Mauerteil und einer multimedialen Show auf der weltberühmten Spanischen Treppe gefeiert.

Die Feiern in Berlin hatten am Morgen mit einem ökumenischen Gottesdienst in der Gethsemanekirche begonnen, bei dem auch an die NS-Pogrome 1938 erinnert wurde. Höhepunkt sollte am Abend das „Fest der Freiheit“ am Brandenburger Tor sein. 1000 bemalte große Dominosteine sollten als Symbol für den Einsturz der Mauer der Reihe nach umfallen.

Bereits am Vormittag hatte Wowereit das neue Besucherzentrum an der Mauergedenkstätte Bernauer Straße eröffnet. „Wir müssen jüngere Generationen daran erinnern, dass Diktatur in Deutschland keinen Platz hat“, sagte er. Das Gebäude an der Ecke Gartenstraße kostete 2,5 Millionen Euro und wurde innerhalb eines Jahres gebaut. Besucher sollen dort nach Angaben der Gedenkstätte „alle Grundinformationen zum Thema Mauer“ erhalten.

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