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Der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) steht im April 2011 auf dem Roten Platz in Moskau vor der St. Basilius Kirche.

© dpa

Horst Seehofer bei Putin: Unter alten Männerfreunden in Moskau

Horst Seehofer gibt mit seinem geplanten Besuch bei Wladimir Putin den Weltpolitiker. Mit von der Partie: Edmund Stoiber. Nur der „Fall Lisa“ stört.

Von Robert Birnbaum

Selber fliegen wird er nicht. Man muss das extra dazusagen, wenn ein bayerischer Ministerpräsident nach Moskau reist, des großen Ur- und Vorbilds wegen. Die Geschichte kennt jeder in der CSU: Wie Franz Josef Strauß am 28. Dezember 1987 eigenhändig seine Cessna auf dem gesperrten Moskauer Flughafen aufsetzte, obwohl er im Schneetreiben die vereiste Landebahn nicht sah, und wie es dem Waigel Theo und dem Stoiber Edmund und den anderen Passagieren kurz die Sprache verschlug, als sie hörten, dass der Sprit für einen zweiten Versuch auch gar nicht mehr gereicht hätte. Aber die Haudegen werden auch in der CSU seltener. Horst Seehofer fliegt Linie am nächsten Donnerstag. Ungemütlich wird diese Visite erst nach der Landung.

Als Stoiber ihm die Audienz bei Wladimir Putin besorgte, war das in vollem Umfang noch nicht absehbar. Sicher, der russische Präsident stand wegen seiner Ukrainepolitik in Europa weiter unter Beobachtung, als Seehofer den Termin Ende letzten Jahres bekannt machte. Auch die Flüchtlingskrise und Russlands Einmischung in Syrien standen schon auf der politischen Tagesordnung.

Aber mit dem „Fall Lisa“ ist plötzlich ein Thema aktuell, das direkt das deutsch-russische Verhältnis betrifft. Dass russische Medien und ganz offenkundig staatlich gelenkte Online-Akteure das zeitweise Verschwinden der 13-Jährigen zur Schauergeschichte westlicher Verderbnis und Vertuschung umdeuteten, ist inzwischen normal. Aber dass Außenminister Sergej Lawrow das Märchen zur diplomatischen Staatsaffäre aufbauschte, ist eine neue Qualität im russischen Desinformationskrieg.

Die Sache kann Seehofer die ganze Tour vermasseln. Dabei hatte die sich so schön angelassen. Seit Strauß selig gehört die Behauptung von Bayerns eigenständiger Rolle in der Weltpolitik zum Inventar christsozialer Selbstbespiegelung. Praktisch merkt man davon freilich meistens nichts. Weiter als bis Berlin kommt der Herr in der Münchner Staatskanzlei selten; schon Brüssel liegt ihm eher fern. Und nach China oder Indien reisen zwecks regionaler Wirtschaftsförderung auch Ministerpräsidenten aus Bundesländern, mit denen man in Bayern keinesfalls verglichen werden möchte.

Die obligatorische Wirtschaftsdelegation reist nicht mit

Seehofers Besuch sticht aber aus dieser Routine heraus. Erstens nimmt er nicht die obligatorische Wirtschaftsdelegation mit – dafür ist später eine zweite Reise geplant. Zweitens kriegt nicht jeder einen Termin bei Putin. Den hat Stoiber vermittelt. Der wiederum sieht sich als guter Kumpel des russischen Präsidenten, seit der ihn im Mai 2010 eingeladen und fürstlich behandelt hatte.

Der Zeitpunkt damals war auf den ersten Blick kurios: Stoiber war gestürzt und nur noch vorläufig im Amt. Aber Putin erwies sich als längerfristig denkender Stratege. Er umschmeichelte den Bayern mit allem Pomp. Stoiber war Gast in Putins Villa und bekam sogar eine Privatvorführung der historisch kostümierten Kreml-Reiterarmee. Nebenbei legte der Präsident dem Besucher dar, dass die US-Raketenabwehr in Europa Russlands Sicherheit bedrohe. Putin hatte den Gast richtig eingeschätzt. Stoiber verbreitete die frisch erworbene Erkenntnis prompt weiter.

Seehofer schien bis vor Kurzem entschlossen, diesen Auftritt zu toppen. „Wir haben genug zu bereden: die Flüchtlinge und die Bekämpfung der Fluchtursachen, die Sicherheitslage in vielen Regionen der Welt und natürlich den Zusammenhang Ukraine und Sanktionen“, gab er im Dezember bekannt, und fuhr fort: „Man muss die Frage stellen: Wollen wir die Sanktionen auf unbegrenzte Zeit laufen lassen? Oder ist es an der Zeit, darüber zu reden?“ Mit ihm natürlich, also von Großmacht zu Großmacht sozusagen.
Dabei weist er vorsorglich stets darauf hin, dass der Besuch mit Angela Merkel abgesprochen sei. Bei arglosen Zuhörern führt das zu dem Fehlschluss, der Mann aus München reise im Auftrag der Kanzlerin. Der Fehlschluss dürfte ihm behagen.

Der „Fall Lisa“ aber ist von der Art, dass er den Spaß verderben könnte. Aus der Koalition gibt es erste Forderungen, die Reise abzusagen. Am Freitag versicherte Seehofer, er werde sich sehr verantwortlich verhalten, habe überdies mit Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) telefoniert. Alles also wie gehabt.

Nur als jemand konkret nachfragt, ob er auch den „Fall Lisa“ bei Putin ansprechen werde, wird der Bayer auf einmal abweisend: Zu diesem ganzen „Sprechen Sie dies an, sprechen Sie das an“ werde er öffentlich gar nichts sagen! Vielleicht erzählt ihm Putin ja von sich aus, dass das vom Lawrow nicht böse gemeint gewesen sei. Das kann er dann hinterher weitererzählen. Oder Stoiber übernimmt wieder diesen Part. Denn der Ehrenvorsitzende ist natürlich auch dabei beim Treffen mit dem alten Männerfreund.

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