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Schutzpatron. Der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) im Mai 2009 bei einer Kundgebung der Sudetendeutschen in Augsburg. Foto: Stefan Puchner/dpa

© dpa

Horst Seehofer: Historische Winterreise

Horst Seehofer besucht als erster bayerischer Regierungschef Tschechien. Die Reise könnte eine Wende in den deutsch-tschechischen Beziehungen herbeiführen.

Für Horst Seehofer wird es eine seiner bedeutsamsten Dienstreisen: Mit einem zweitägigen Besuch in Prag, zu dem er an diesem Sonntag aufbricht, begibt sich der bayerische Ministerpräsident auf ein diplomatisches Minenfeld. Und Beobachter erwarten, dass diese Reise eine Wende in den deutsch-tschechischen Beziehungen herbeiführen könnte.

Seit dem politischen Umbruch in Osteuropa ist Seehofer der erste Regierungschef aus München, der offiziell ins Nachbarland reist – bislang ist ein solcher Besuch stets an strittigen Fragen im Umgang mit der Vergangenheit gescheitert. Vor allem die Vertreibung der Sudetendeutschen und die sogenannten Benes-Dekrete, die 1945 neben anderem den Entzug der tschechoslowakischen Staatsbürgerschaft und die Enteignung von Vermögen der deutschen und ungarischen Minderheiten regelten, lasten als schwere Hypothek auf den Beziehungen. Während sich die bayerische Landespolitik als Schutzpatron der Sudetendeutschen fühlt, haben viele Tschechen immer noch Angst vor möglichen Besitzansprüchen der Sudetendeutschen.

In den vergangenen Jahren hatten die Bayern stets hohe Vorbedingungen für einen Besuch in Prag gestellt, jetzt aber soll die künftige Zusammenarbeit im Mittelpunkt stehen. „Wenn wir einen Fortschritt erzielen wollen, müssen wir uns vor allem mit der Zukunft beschäftigen. Nur dann hat ein solcher Besuch eine Bedeutung“, sagte der tschechische Premierminister Petr Necas.

Dass der historische Besuch überhaupt zustande kommt, war noch vor wenigen Wochen fraglich. Im Frühjahr hat Horst Seehofer die tschechische Seite verärgert, als er seinen Prag-Besuch ausgerechnet auf dem Sudetendeutschen Tag ankündigte – zu dem Zeitpunkt hatte er noch nicht einmal eine Einladung aus Tschechien und verstieß damit gegen diplomatische Gepflogenheiten. Wichtigstes Ziel für Seehofer müsse es jetzt sein, den Druck aus den Beziehungen zu nehmen, heißt es in Prags diplomatischen Kreisen.

Während zwischen Berlin und Prag politische Kontakte ebenso längst etabliert sind wie zwischen Sachsen und Böhmen, ist die Anspannung zwischen München und Prag immer noch diplomatischer Alltag. „Auf der regionalen Ebene funktioniert die Zusammenarbeit über die Grenze hinweg oft problemlos, aber je höher man in der Politik steigt, desto schwieriger wird es“, sagt Jaromir Talir. Der frühere Prager Kulturminister ist Vorsitzender der tschechischen Ackermann-Gemeinde; eines christlichen Verbandes, der sich für die Aussöhnung zwischen Deutschen und Tschechen einsetzt. Entlang der bayerisch-böhmischen Grenze sind beste nachbarschaftliche Beziehungen gewachsen – die Gemeinden eng zusammen, die Rettungsdienste helfen einander aus, es gibt Schulpartnerschaften und gemeinsame Volksfeste. Der wirtschaftliche Austausch ist so eng wie nie zuvor.

An diesem Sonntag trifft Seehofer den Prager Außenminister Karel Schwarzenberg; bei einem gemeinsamen Abendessen sind auch Mitglieder der Verbände eingeladen, die sich seit Jahren um das deutsch-tschechische Verhältnis verdient machen. Das politisch größte Gewicht dürfte eine knapp zweistündige Begegnung Seehofers mit dem Prager Premierminister Necas haben. Die umstrittene Vergangenheit soll dabei zur Sprache kommen, vor allem aber soll es um die Zukunft gehen. Zur Delegation Seehofers gehört auch Bernd Posselt, der Vorsitzende der Sudetendeutschen Landsmannschaft.

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