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Der CSU-Vorsitzende Horst Seehofer am Mittwoch auf dem Weg ins Bundeskanzleramt.

© Rainer Jensen/dpa

Horst Seehofer und die große Koalition: Nach dem Krawall der Kammerton

Vor dem Koalitionsgipfel hat Horst Seehofer laut gepoltert – hinterher war er auch diesmal wieder ruhiger. Entscheidungen haben er, Angela Merkel und Sigmar Gabriel nicht verkündet.

Von Robert Birnbaum

Es gehört zur Dramaturgie von Koalitionsrunden, dass der Krawall vorher lauter ist als der Ton drinnen im Kanzleramt. Horst Seehofer ist ein spezieller Liebhaber dieser Aufführungspraxis, womit er einerseits langjähriger bajuwarischer Tradition seinen Tribut zollt, andererseits der christsozialen Gemütslage irgendwo zwischen Minderwertigkeitskomplex und Größenwahn.

Der CSU- Chef ist denn auch diesmal nach lautstarkem Gepolter und mit düsterer Miene am Mittwochabend in Angela Merkels Regierungszentrale marschiert. Hinterher war er schon wieder ruhiger. Das lag auch daran, dass Merkel und SPD-Chef Sigmar Gabriel genauso gute Gründe hatten, sich über ihn aufzuregen.

Halbamtlich ließen alle drei beteiligten Seiten wissen, dass sowohl beim Gespräch zwischen Merkel und Seehofer als auch in der anschließenden Dreierrunde die Stimmung entspannt, ja aufgeräumt und sachorientiert gewesen sei.

Bis zum Sommer will sich die Regierungskoalition sortieren

Entscheidungen in strittigen Sachfragen wie der Reform der Erbschaftsteuer oder der Neuregelung für Leiharbeit und Werkverträge seien nicht gefallen. Aber man sei sich einig, dass die Koalition ausstehende Vorhaben bis zum Sommer durchs Kabinett bringen wolle. Details soll die große Koalitionsrunde am nächsten Mittwoch beraten.

Gegen beide Projekte – das eine ein Entwurf von Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU), das andere aus dem Haus von Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) – stand bisher ein Veto Seehofers. In der SPD wie in der CDU sind viele sicher, dass den CSU-Chef dabei auch sachfremde Motive trieben. „Der wollte Merkel ärgern“, sagt ein Maßgeblicher aus der Unionsfraktion, „weil sie ihm in der Flüchtlingspolitik nicht folgen wollte.“ Das will die Kanzlerin immer noch nicht. Aber Merkel hat Seehofer versichert, dass der Bundesinnenminister sich mit Bayern abstimmen werde, bevor er die Kontrollen an den Außengrenzen wieder aufhebt. Diesen Schritt hatte Thomas de Maizière per Interview für Mai in Aussicht gestellt, falls die Flüchtlingszahlen niedrig bleiben – und damit einen bayerischen Wutausbruch provoziert.

Seehofer tobte öffentlich über „Selbstherrlichkeit“ derer da in Berlin, die es nicht mal für nötig hielten, das hauptbetroffene Bundesland von solchen Plänen vorab zu unterrichten. Intern ging es dann weniger um föderale Stilfragen – rechtlich ist für die Grenzsicherung der Bund alleine zuständig – als ums Symbolische: Seehofer trug die Sorge vor, dass ein zügiges Ende der deutschen Kontrollen von Flüchtlingen wieder als Einladung missverstanden werden könnte, und hörte keinen Widerspruch.

Allem zustimmen will Seehofer nicht - alles blockieren auch nicht mehr

Außerdem konnte er den Rückhalt der CDU-Chefin für eins seiner Lieblingsprojekte mit nach München nehmen. Seehofers Fahrplan für die Bundestagswahl 2017 und die Landtagswahl im Jahr darauf sieht für diesen Sommer eine „Themenoffensive“ vor. Daran soll sich jetzt auch die CDU beteiligen, als Teil des Versuchs, auf Umwegen zu neuer Gemeinsamkeit zu kommen und verunsicherten Unionswählern anderes zu bieten als Streit über die Flüchtlingspolitik. In der CSU wird beispielhaft gerne an gemeinsame Absichtserklärungen erinnert, den Solidaritätszuschlag abzuschaffen. Über solche Themen wollen die Spitzen der Union bei einem Treffen am Sonntagabend beraten.

Von neuem Frieden kann trotzdem noch keine Rede sein. Aber SPD-Vize Ralf Stegner lag jedenfalls hinter der Zeit zurück, als er den CSU-Chef im „Morgenmagazin“ einen „Störenfried“ schimpfte, der alles blockiere. Alles blockieren will er jetzt nicht mehr.

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