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Die Ära Mubarak ist beendet.

© dpa

Hosni Mubarak: Der Abschied des Ewigen

Das Time-Magazin nannte Hosni Mubarak einmal den Mann der leisen Gesten. Für seine letzte ließ er sich quälend lange Zeit.

Feuerwerk zerfetzt den nachtschwarzen Himmel über Kairo, Gewehrsalven krachen und machen diesmal keine Angst, es ist vorbei, sie haben gesiegt, der ganze Tahrir-Platz scheint zu beben. Mubarak ist zurückgetreten. Was schon Donnerstag so dringend erwartet war, ist am Freitag passiert.

18 endlose Tage hatten die Menschen in Kairo, im ganzen Land, vielleicht auf der ganzen Welt, auf jene Nachricht gewartet, die kurz nach 17 Uhr MEZ von Vizepräsident Omar Suleiman im Fernsehen verlesen wurde. In diesen 18 Tagen waren mehr als 300 Menschen durch Polizeikugeln, Tränengasgranaten oder Messerstiche gestorben, mindestens 5000 wurden durch staatlich beauftragte Schlägertruppen verletzt.

Die Menschen auf dem Tahrir-Platz fallen sich in die Arme, strecken die Hände zum Himmel oder sinken auf die Knie und beten. „Endlich sind wir frei“, rufen sie und immer wieder „Freiheit, Freiheit“. Der Platz ist ein Fahnenmeer, jubelnd, prallvoll. Zehntausende Kairoer stauen sich schon auf den Nilbrücken. Lächelnd schauen die Soldaten von ihren Panzern herab. „Revolution 2.0: Mission Accomplished“, twittert Ägyptens bekanntester Blogger Wael Ghonim an seine weltweite Netzgemeinde. Der 30-jährige Werbemanager hatte am 25. Januar per Facebook mit einem Aufruf zum ersten „Tag des Zorns“ die Revolution in Ägypten entzündet – und Hosni Mubarak um eine Hoffnung gebracht.

Bis zum letzten Atemzug, hatte der stets gesagt, wolle er Präsident Ägyptens bleiben. Nie hat er sich träumen lassen, dass ihn sein eigenes Volk mit einem Massenaufstand davonjagen würde. Vielleicht hat es deshalb so lange gedauert, bis er aufgab. 18 Tage klammerte sich der 82-jährige ehemalige Jet-Pilot an seinen Thron, da riefen die Menschen auf dem Tahrir-Platz nach „Hau ab, Mubarak“ und „Stellt Mubarak vor Gericht“ schon „Hängt Mubarak auf“.

Am Donnerstagabend hatte er sein Volk in einer lang erwarteten Rede noch einmal 17 Minuten lang mit wortreichen Beteuerungen und Ermahnungen, mit nebulösen Versprechungen und Vorwürfen enttäuscht und auch provoziert. Hatte mehrfach betont, ohne ihn werde Chaos ausbrechen. Doch das glaubte niemand mehr, auch die Generäle nicht, die ihren ehemaligen Kameraden am Ende nicht mehr stützen wollten.

Fast drei Jahrzehnte war Hosni Mubarak am Nil der unangefochtene Patriarch der Nation, länger regiert haben während der vergangenen 5000 Jahre nur der antike Pharao Ramses II. und Mohammed Ali Pasha Anfang des 19. Jahrhunderts, der als Begründer des modernen Ägyptens gilt. Mehr als die Hälfte der 80 Millionen Ägypter, also diejenigen, die unter 30 Jahre alt sind, kennen nur Mubarak als Staatsoberhaupt. Er war da seit Oktober 1981, seit er als Nachfolger des von Islamisten ermordeten Anwar as-Sadat auf den Präsidentenposten befördert wurde.

Mubarak war kein charismatischer Volkstribun wie Nasser und kein schillernder Medienstar wie Sadat. Über sein Privatleben wissen die Ägypter sehr wenig. Seit 1958 ist er mit seiner Frau Suzanne Thabet verheiratet. Das Paar hat zwei Söhne. Erst mit der Zeit ließ „der Mann der leisen Gesten“, wie ihn das Time-Magazin dereinst charakterisierte, eigene Akzente erkennen. Als sich 1982 Israel endgültig aus dem Sinai zurückzog, war das für Mubaraks Ägypten das wichtigste Ergebnis des Friedensvertrags von Camp David. Parallel dazu bemühte er sich mit zäher Beharrlichkeit, die durch Sadats Israelpolitik gekappten Fäden zu den arabischen Staaten neu zu knüpfen – mit Erfolg. 1989 wurde Ägypten erstmals wieder zu einem Treffen der Arabischen Liga eingeladen, ein Jahr später das Hauptquartier von Tunis zurück nach Kairo verlegt.

Mubarak machte Ägypten auch zu einem zentralen strategischen Partner der USA in der Region, was Washington mit milliardenschweren Militär- und Wirtschaftshilfen honorierte. Im Nahostkonflikt verstand er sich als ehrlicher Makler, auch wenn er es vermied, zu einem offiziellen Staatsbesuch nach Israel zu reisen. Am liebsten inszenierte er sich als gesuchter Gesprächspartner auf internationalem Parkett, in Kairo oder im Badeort Scharm el Scheich, wohin er sich auch am gestrigen Freitag bringen ließ.

Geboren wurde Mubarak als Sohn eines Justizbeamten am 4. Mai 1928 in einem Dorf im Nil-Delta. Nach seiner Ausbildung zum Kampfpilot in der Sowjetunion Anfang der 60er Jahre machte er Karriere, war Kommandeur der Luftwaffenakademie, Stabschef und 1972 Oberbefehlshaber der Luftwaffe, die sich im Jom-Kippur-Krieg 1973 besser schlug als zuvor im Sechstagekrieg 1967. Seine Offiziere damals nannten ihn „härter als Rommel, aber menschlich o.k.“. Als „Held des Oktoberkriegs“ gefeiert, ernannte Anwar as-Sadat den politisch Unerfahrenen überraschend zu seinem Vizepräsidenten. Die israelischen Unterhändler bei den Friedensgesprächen beeindruckte Mubarak mit seiner Effizienz, seiner präzisen Vorbereitung und seinem sachlichen, unprätentiösen Verhandlungsstil. „Kriege lösen niemals Probleme – sie bringen nur Blutvergießen und die Vernichtung von Ressourcen“, diese Erkenntnis brachte Mubarak aus seinen Armeejahren mit in seine politische Karriere.

Wenn es gegen politische Gegner ging, war Mubarak bis zuletzt nie zimperlich. 30 Jahre lang beherrschte seine National-Demokratische Partei (NDP) nach Belieben das Parlament, und die agierte stets, wie der Chef es wünschte. Mediengewandte Konkurrenten im Kabinett wie den langjährigen Verteidigungsminister Mohammad Abu Ghazala und den früheren Außenminister Amr Mussa lobte Mubarak auf andere Posten weg, damit sie ihm nicht gefährlich werden konnten. Seine Wiederwahlen 1987, 1993 und 1999 waren Formsachen. Erst 2005 gab es auf amerikanischen Druck eine Handvoll Gegenkandidaten. Doch Herausforderer Ayman Nour, der mit acht Prozent einen Achtungserfolg errang, ließ Mubarak anschließend jahrelang inhaftieren.

Am 11. Februar nun endete seine Ära. Eine Million Menschen feierten in Ägypten eine historische Wende, die vor drei Wochen niemand für möglich gehalten hat. Offenbar steht nun der jüngst ernannte Vizepräsident Omar Suleiman an der Spitze des Staates. Unklar ist, ob der nun eine Übergangsregierung der nationalen Einheit bilden wird, die Ägyptens Weg in eine Demokratie organisiert.

Auf dem Tahrir-Platz können die Menschen am späten Freitag es kaum fassen. Sie haben Mubaraks Regime besiegt, das eine Generation lang unbesiegbar erschien. Sie feiern – und ahnen bereits, dass die wirkliche Bewährungsprobe für Ägypten jetzt erst beginnt.

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