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Hospiz

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Hospizbewegung: In Würde sterben hat einen Preis

Die deutsche Hospizbewegung ist erfolgreich – aber die Krankenkassen blockieren ihre Arbeit. Der Eigenanteil für Patienten ist derzeit überhaupt nicht kalkulierbar.

Berlin - Es ist eine Erfolgsgeschichte: 25 Jahre nach dem Start der Hospizbewegung in Deutschland kümmern sich hierzulande 1500 ambulante Dienste, 170 stationäre Hospize und 80 000 ehrenamtliche Helfer um schwerstkranke und sterbende Menschen. Und die Nachfrage steigt. Doch den Preis für diese politisch ausdrücklich erwünschte Entwicklung müssen die Einrichtungen und ihre Mitarbeiter vielerorts alleine tragen.

Weil es für die Ausweitung der Sterbebegleitung nicht mehr Geld gibt, seien viele der ambulanten Dienste in Existenznot geraten, klagt der Deutsche Hospiz- und Palliativverband. Hinzu komme, dass die Kranken- und Pflegekassen zugesagte Mittel „in großem Umfang“ zurückhielten, wie Verbandschefin Birgit Weihrauch betont. So sei den ambulanten Hospizdiensten im Jahr 2008 aufgrund der komplizierten Berechnungsgrundlagen mehr als ein Drittel der zugesagten 28 Millionen Euro vorenthalten worden. Sechs von zehn Einrichtungen bekämen ihr Personal nicht so finanziert, wie das gesetzlich vorgesehen ist. Zudem gebe es große Finanzierungsunterschiede zwischen den Ländern und keine Planungssicherheit – neue Dienste etwa müssten bis zu 18 Monate in Vorleistung treten.

Auch in den Hospizen fehlt es an Geld: Nur knapp 60 Prozent der Kosten würden derzeit von Kranken- und Pflegekassen übernommen, hat Rochus Allert errechnet. Nach einer Studie des Professors an der Katholischen Hochschule in Köln wird ein Drittel der Leistungen anderweitig abgedeckt: 22 Prozent über Spenden und elf Prozent über den Einsatz ehrenamtlicher Helfer. Den Rest müssten die Kranken und ihre Angehörigen selber aufbringen – wobei dieser Eigenanteil je nach Hospiz, Pflegestufe und Verweildauer unterschiedlich und dadurch für die Patienten überhaupt nicht kalkulierbar sei.

Angesichts ihrer extremen Lebenssituation müsse man den Patienten solche Unsicherheiten und finanzielle Belastungen ersparen, fordert die Verbandschefin. Vertretbar sei, so sagt sie, ein Eigenanteil von zehn Prozent. Eine Vollfinanzierung sei gar nicht angestrebt, weil man um den besonderen Wert des bürgerschaftlichen Engagements wisse.

Wichtig sei aber eine Vereinheitlichung der Tagesbedarfssätze, die momentan je nach Einrichtung zwischen 176 und 320 Euro schwanken – was qualitativ weder zu erklären noch zu rechtfertigen sei.

Noch vor der Bundestagswahl müsse es zu entsprechenden Gesetzesänderungen kommen, fordert die SPD-Abgeordnete Herta Däubler-Gmelin. Auch der seit zwei Jahren bestehende Anspruch der Versicherten auf ambulante Palliativversorgung müsse von den Krankenkassen endlich umgesetzt werden. „Wir waren der Meinung, dass wir durch die Gesundheitsreform den Fuß gut in der Tür hätten“, sagt die frühere Justizministerin. „Nun stellen wir fest, dass der Fuß gequetscht wird.“ Verbandsvize Horst Schmidbauer spricht von einer makabren Situation: Während Politiker die Hospizarbeit fraktionsübergreifend unterstützten, weigerten sich die gesetzlichen Kassen, den politischen Willen umzusetzen. Es sei „beschämend“, dass sie ihre Konflikte „ausgerechnet in dieser Ecke“ auszutragen versuchten.

Zumal sich die Blockade für die Kassen finanziell gar nicht rechnet: Professor Allert betont, dass selbst in hochwertig ausgestatteten Hospizen die Betreuung Schwerstkranker weniger koste als in Krankenhäusern – von der weit günstigeren ambulanten Sterbebegleitung ganz zu schweigen. Mit der Förderung und dem Ausbau von Hospizarbeit biete sich daher „die im Gesundheitssektor einmalige Chance, Qualitätsverbesserung mit Kostensenkung zu verbinden“.

Die Hospizbewegung wirbt für eine neue Sterbekultur. Im Vordergrund steht nicht mehr die Verlängerung des Lebens, sondern eine psychologische und geistliche Begleitung, die Schmerzbekämpfung und Verbesserung der Lebensqualität.

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