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Roland Jahn bei einem Besuch im ehemaligen Stasigefängnis in Rostock

© Bernd Wüstneck/dpa

Hüter der Stasi-Akten: Roland Jahn soll Behördenchef bleiben

Im März 2016 läuft die Amtszeit von Roland Jahn als Chef der Stasiunterlagenbehörde ab. Fürsprecher von Linkspartei bis CDU wollen, dass sich der 61-Jährige für weitere fünf Jahre wählen lässt.

Von Matthias Meisner

Der Amtsantritt von Roland Jahn im März 2011 als dritter Chef der Stasiunterlagenbehörde erschien nicht wenigen als Fehlstart. Der gebürtige Jenaer hatte in seiner Antrittsrede angekündigt, dass er knapp 50 ehemalige Stasimitarbeiter nicht mehr in seinem Haus haben will - und damit in gewisser Weise auch die Amtsvorgänger Joachim Gauck und Marianne Birthler brüskiert. Der Plan erwies sich als schwer umzusetzen. Er ließ Jahn, den 1983 aus der DDR gewaltsam ausgebürgerten Oppositionellen und Freigeist, als Unruhestifter erscheinen. Und spielt jetzt, wenn über seine mögliche Wiederwahl diskutiert wird, noch immer eine Rolle.

Die Einschätzungen zu dieser Ankündigung Jahns differieren weiterhin. Für Arnold Vaatz etwa, den stellvertretenden Vorsitzenden der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, war sie ein Hinweis darauf, dass der neue Behördenchef "Probleme erkennt, die seine Vorgänger verdrängt haben". Dass ausgerechnet beim Bundesbeauftragten für die Unterlagen des DDR-Staatssicherheitsdienstes Leute beschäftigt wurden, die der Staatssicherheit angehörten, hätten "leider sowohl Gauck als auch Birthler schlicht ignoriert", sagt der Dresdner Bundestagsabgeordnete. Anders sieht das der Linken-Bundestagsabgeordnete Stefan Liebich: "Ich habe Roland Jahn gewählt, weil er in Aussicht gestellt hat, dass es ihm weniger um das MfS, als um das Wesen der Diktatur gehen würde. Der Kampf gegen die Wachmänner in seiner Behörde war dafür nicht hilfreich", sagt er.

Die Pointe: Sowohl Vaatz als auch Liebich sind heute dafür, dass Jahn eine weitere fünfjährige Amtszeit an der Spitze der Stasiunterlagenbehörde absolviert - als dann voraussichtlich auch deren letzter Chef. "Mit Blick auf die Zukunftsdiskussion der Behörde, der er sich engagiert stellt, würde ich aber eine zweite Runde befürworten", erklärt der Linken-Politiker Liebich, der dem vom Bundestag bestellten wissenschaftlichen Beratungsgremium der Behörde angehört. Und Vaatz sagt dem Tagesspiegel, Jahn habe seine Arbeit "absolut sachgemäß und gut" gemacht. Er sei, "wenn er das tun will", auch geeignet, die anstehenden Strukturveränderungen anzugehen und die Behörde letztlich aufzulösen.

Sonderstatus unter dem Dach des Bundesarchivs

Es geht um einen Prozess des Übergangs: Die Akten sollen nicht verschlossen werden, doch in absehbarer Zeit unter die Obhut des Bundesarchivs kommen. Was voraussichtlich nicht heißt, dass sie dann nach Koblenz verlagert werden - stattdessen könnte die Rest-Behörde am alten Sitz eine Außenstelle des Bundesarchivs werden. Parallel ist daran gedacht, die Bereiche Bildung und Forschung auszugliedern und anderen Institutionen wie der Bundeszentrale für politische Bildung oder der Stiftung Aufarbeitung zu übertragen. Im November hatte der Bundestag eine Expertenkommission zur Zukunft der Behörde eingesetzt, mit dem früheren sachsen-anhaltischen Ministerpräsidenten Wolfgang Böhmer (CDU) als Chef.

"Wir können nicht für jede historische Epoche ein eigenes Archiv errichten", erläutert Vaatz dazu. Und bescheinigt Jahn: "Ich halte ihn diesen Gedanken gegenüber für aufgeschlossen." Ähnlich hat sich zuvor bereits Marco Wanderwitz geäußert, kultur- und medienpolitischer Sprecher der Unionsfraktion. "Er macht einen guten Job", so der sächsische Bundestagsabgeordnete über den Behördenchef. "Das Haus ist ordentlich geführt. Er ist engagiert bei der Sache." Im Gespräch mit der "Berliner Zeitung" riet Wanderwitz, in der anstehenden Phase der Entscheidungen zur Zukunft der Behörde "macht es Sinn, auf Kontinuität zu setzen".

Auch die Grünen würden vermutlich gutheißen, wenn sich Jahn für eine zweite Amtszeit bewirbt. "Ich persönlich kann mir eine zweite Amtszeit von Roland Jahn gut vorstellen", erklärt der Bundestagsabgeordnete Harald Terpe aus Mecklenburg-Vorpommern. "Er wäre der Richtige, die nun anstehenden Veränderung zu begleiten und mitzugestalten."

SPD ist skeptisch

Die größten Probleme könnte Jahn wieder mit der SPD bekommen, die seiner Berufung schon 2011 skeptisch gegenüberstand. "Dass die Arbeit von Herrn Jahn von Seiten SPD-Bundestagsfraktion von Anfang kritisch distanziert begleitet wurde, ist nicht unbekannt", sagt Siegmund Ehrmann, Vorsitzender des Ausschusses für Kultur und Medien in Anspielung auf deren Kritik unter anderem an der Versetzung von stasibelasteten Mitarbeitern. Der nächste Behördenchef müsse bereit sein, "wichtige strukturelle Veränderungen der Behörde mitzutragen und zu gestalten. Letztendlich ist abzuwägen, ob jemand, der die Struktur und Abläufe der Behörde vom Inneren her kennt oder jemand der mit dem gegebenenfalls notwendigen Abstand von außen diese Veränderungen besser gestalten kann."

Abgeschlossen ist die Meinungsbildung in der SPD-Fraktion zu der Personalie nicht. Etwa im Kreis der ostdeutschen Bundestagsabgeordneten hat Jahn auch wichtige Unterstützer, die Jahn zum Beispiel für seine "äußerst wohltuenden" Versuche loben, auch mit Tätern den Dialog zu führen. Unmittelbar nach dessen Wahl hatte sich Jahn auch um ein Gespräch mit dem neuen thüringischen Ministerpräsidenten Bodo Ramelow (Linke) bemüht - auch das wird ihm von Kritikern positiv angerechnet.

Jahn hat sich zu seiner möglichen Bereitschaft, weitere fünf Jahre an der Spitze der Stasiunterlagenbehörde zu stehen, noch nicht festgelegt. Dass er mit Freude bei der Sache ist, ist allerdings offenkundig. Viel spricht dafür, dass auch er die Arbeit fortsetzen möchte, die er angefangen hat. Was ihm wohl zuwider wäre: eine Art Wahlkampf, in dem er um die Zustimmung aller politischen Lager kämpfen müsste. Doch soweit wird es wohl nicht kommen. Selbst die SPD ist offenbar bereit, eine zweite Jahn-Amtszeit mitzutragen - wenn auch mehr "aus pragmatischen Gründen", wie es dort heißt.

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