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Politik: Hungersnot in Kenia: Acht Stunden Fußmarsch bis zum Brunnen

"Der gelbe Mais ist wieder da, wie damals 1961", sagen die Leute vom Machakos-Distrikt in Kenia. Normalerweise schätzen die Bauern den weißen Mais, den sie zu Ugali-Brei zubereiten, doch zur Not essen sie auch Getreide aus amerikanischer Herkunft, geliefert von Hilfsorganisationen.

"Der gelbe Mais ist wieder da, wie damals 1961", sagen die Leute vom Machakos-Distrikt in Kenia. Normalerweise schätzen die Bauern den weißen Mais, den sie zu Ugali-Brei zubereiten, doch zur Not essen sie auch Getreide aus amerikanischer Herkunft, geliefert von Hilfsorganisationen. Die Direktorin des Welternährungsprogramms der UN, Catherine Bertini, reist zur Zeit durch die Hungergebiete am Horn von Afrika, die im April Schlagzeilen gemacht und eine Spendenwelle ausgelöst hatten. Bertinis erste Station war Kenia und die Bilanz, die sie gestern in Nairobi zog, war durchwachsen.

Einerseits lobte sie die gute Nahrungsmittelverteilung in Kenia, anderseits hat die Natur sich noch nicht als gnädig erwiesen. Regen blieb aus, gespannt warten die 30 Millionen Kenianer auf die kurze Regenzeit, die im Oktober beginnen soll. "Selbst wenn es normal regnen sollte, bleibt die Lage von Millionen Kenianern prekär", sagte Bertini. In den am schlimmsten betroffenen Gebieten Kenias, im Rift Valley, Nordosten, dem Osten und den Küstenprovinzen seien zum Teil 80 Prozent des Viehs verhungert, die Leute hätten ihr letztes Hab und Gut verkauft. Bertini rief die internationale Gemeinschaft zu Spenden von 88 Millionen US-Dollar auf, um 3,3 Millionen Betroffenen helfen zu können.

Die Eindrücke ihrer Kenia-Rundreise waren nicht nur negativ. In Dürregebieten griffen Hilfsprojekte wie das Bohren von Brunnen oder die Umstellung der Viehwirtschaft von Rindern auf Kamele, die mit der Trockenheit besser fertig werden. "Ich habe Massai-Frauen gesprochen, die voller Dankbarkeit für einen Brunnen waren. Statt acht Stunden täglich laufen sie nun nur noch eine Stunde, um Wasser zu holen." Auch das Lebensmittelprogramm für Schulen scheint zu greifen. Ohne den Anreiz eines freien Essens geht in Afrika in Hunger- und Dürrezeiten kaum ein Kind zur Schule. Zuerst, sagen UN-Experten, halten die Eltern die Mädchen vom Schulbesuch fern.

Die Dürre schlägt sich mittlerweile auch in der modernen Millionenstadt Nairobi nieder. Massai-Hirten in ihren roten Gewändern treiben ihre Viehherden auf der Suche nach Grün in die Stadt - ein ungewohntes Bild. In den guten Wohngegenden knabbern die Rinder an den Hecken, begrünte Verkehrsinseln und Parkanlagen sind die Ziele der Futtersuchenden. Auf den City-Autobahnen kommt es gelegentlich zu Staus, wenn eine Kuhherde kreuzt. Reagieren die Autofahrer zu ungeduldig, schlagen die Massai manchmal wütend mit ihren Stöcken auf die Kühlerhauben.

Nairobis Stadtverwaltung hat mit drastischen Wasser- und Stromrationierungen auf den Mangel reagiert. Vor allem die Wasserknappheit macht den Städtern zu schaffen. Büroangestellte in der Innenstadt geben sich gegenseitig Tipps, in welchen Hotels oder öffentlichen Gebäuden die Toiletten gerade mal funktionieren. Tankwagen mit Wasser sind überall in der Stadt zu sehen, das kostbare Nass wird teuer verkauft. "Kennst du jemanden mit einem guten Brunnen", lautet in Gesprächen oft eine Eingangsfrage, denn nicht jedes auf dem freien Markt angebotene Wasser ist von guter Qualität. Manchmal wird Flusswasser feilgeboten.

Insgesamt hatte die UN geschätzt, dass am Horn von Afrika wegen der Dürre 13 Millionen Menschen von Nahrungsmittelknappheit betroffen sind. Besonders in Kenia hat sich die Lage verschlechtert. In Äthiopien bleibt die Situation "fragil", heißt es, in der Region Waleyta und Süd-Wollo seien die Menschen chronisch von Nahrungshilfe abhängig. In Somalia hat sich die Lage leicht gebessert, allerdings ist der Süden stark von Dürre betroffen. In Eritrea verließen viele Bauern wegen des Krieges mit Äthiopien ihre Heimatgebiete und flohen in Dürregebiete. Auch sie sind von UN-Nahrungsspenden abhängig.

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