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Hypo Real Estate: Warum darf die HRE nicht pleitegehen?

Die Bundesregierung sucht nach Wegen, wie sie die angeschlagene Hypo Real Estate kontrollieren kann. Warum ist das so wichtig?

Von Antje Sirleschtov

Die „Systemrelevanz“ der Hypo Real Estate wird in der Bankbranche oder in der Politik kaum jemand bestreiten. Damit ist gemeint, dass eine Pleite der Bank nicht nur verheerende Wirkung auf die Aktionäre, also die Eigentümer, hätte, sondern auch unabsehbare Folgen für sehr viele Bereiche der Gesellschaft.

Weshalb darf die HRE nicht pleitegehen?

Die Hypo Real Estate ist so etwas wie die deutsche Lehman-Brothers-Bank. Fällt sie, zieht sie viele weitere wie bei einem Dominospiel hinter sich her. Das liegt daran, dass andere Banken der HRE Geld geliehen haben, das sie im Fall einer Insolvenz zum großen Teil abschreiben müssten. Die Folgeschäden wären wahrscheinlich schlimmer als eine Verstaatlichung der Bank. Zudem haben sich die Regierungen der großen Industrienationen – als Lehre aus der Lehmann-Brothers- Pleite – gegenseitig zugesichert, systemrelevante Banken nicht mehr in die Pleite gehen zu lassen.

Die HRE ist kein Bankinstitut im herkömmlichen Sinn. Sie finanziert sich nicht – wie etwa Sparkassen – aus den Einlagen von Privatpersonen, die ihr Geld auf Konten anlegen. Ihre Refinanzierung vollzieht sich zu großen Teilen aus dem Anleihegeschäft. Man nennt die HRE mit ihrer Tochter Depfa auch einen Staatsfinanzierer. Das heißt, dass die Bank aufs engste verflochten ist mit den Haushaltsfinanzierungen von Bund, Ländern und Kommunen. Zudem finanziert die HRE eine ganze Reihe großer Investitionsprojekte, etwa im Schienen- oder Straßenbau. Außerdem gehört sie zu den größten Emittenten auf dem deutschen Pfandbriefmarkt. Pfandbriefe, besonders sichere Anleihen, haben bei der HRE eine ganze Reihe von Krankenkassen, Kommunen, Landkreisen und Berufsgenossenschaften gezeichnet. Im Insolvenzfall wäre deren Geld – und damit das Geld von Versicherten und Steuerzahlern – zumindest teilweise verbrannt. Auch würde eine Pleite zu unabsehbaren Schwierigkeiten bei den laufenden Finanzierungen der öffentlichen Haushalte und den Finanzierungen von Infrastrukturprojekten führen. Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) hatte erst an diesem Wochenende wieder auf die gravierenden Folgen einer solchen Pleite hingewiesen. Man müsse damit rechnen, dass 80 bis 85 Prozent der Einlagen weg seien, sagte er.

Nicht zu vergessen, dass der Bund in den vergangenen Monaten annähernd 100 Milliarden Euro Garantien für die laufenden Geschäfte der HRE abgegeben hat. Während davon bis jetzt noch kein Euro haushaltswirksam geflossen ist, müsste im Insolvenzfall der Bundeshaushalt für einen beträchtlichen Teil der Garantien einspringen. Eine gewaltige Zusatzlast für den Bundeshaushalt.

Welche Alternativen gibt es zur Enteignung?

Das größte Problem der Bundesregierung heißt Christopher Flowers und sitzt in New York. Der Finanzinvestor hält seit Mitte 2008 zusammen mit anderen Investoren 24 Prozent an der Hypo Real Estate. Und da er die Aktien für 22,50 Euro gekauft hat, will er sie nicht zum aktuellen Aktienkurs von rund einem Euro wieder abgeben. Er würde etwa eine Milliarde Euro Verlust dabei machen. Solange Flowers aber einen so großen Anteil an der Bank hält, ist es für den Bund kaum möglich, die Kontrolle über die Bank an sich zu ziehen. Flowers könnte sich bei wichtigen Entscheidungen querstellen.

Im Grunde bleiben für den Bund daher zwei Möglichkeiten jenseits der Enteignung: Entweder er bewegt Flowers dazu, seinen Anteil an den Bund zu verkaufen, oder er nutzt technische Tricks, um Flowers’ Anteil künstlich zu verkleinern.

Bisher haben die Regierung und der Bankenrettungsfonds Soffin vor allem auf die erste Variante gesetzt. Doch alle Verhandlungen mit Flowers, seinen Anteil freiwillig abzugeben, waren bis dato erfolglos. Die letzte Möglichkeit wäre nun ein öffentliches Übernahmeangebot. Zu einem bestimmten Preis könnten dabei alle Aktionäre ihre Papiere an den Bund abtreten. Der Nachteil: Laut Gesetz haben die Aktionäre drei Monate Zeit, das Angebot anzunehmen. Im Fall der HRE wäre das zu lange. Die Regierung erwägt deshalb offenbar, diese Frist zu verkürzen.

Erfolgversprechender scheint derzeit jedoch die Variante, Flowers’ Anteil durch eine Kapitalerhöhung künstlich zu verwässern, sozusagen eine „Enteignung light“. Die Zahl der Aktien würde dabei deutlich erhöht, alle neuen Anteile gingen an den Bund, so dass der prozentuale Anteil des Flowers-Aktienpaketes deutlich sinken würde. Normalerweise braucht man für so etwas einen Beschluss der Hauptversammlung, also der Aktionäre. Das Finanzmarktstabilisierungsgesetz vom vergangenen Oktober sieht allerdings vor, dass Kapitalerhöhungen um bis zu 50 Prozent auch ohne Hauptversammlungsbeschluss möglich sind. Nun wird diskutiert, diese Schwelle im Gesetz so zu erhöhen, dass sich der Bund durch neue Aktien 75 Prozent an der Bank sichern könnte. „Das wäre aus unserer Sicht auf jeden Fall besser als eine Enteignung“, sagt etwa Marco Cabras, Sprecher der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz. Alternativ sind auch befristete Änderungen des Aktiengesetzes in der Diskussion. So könnte etwa die Schwelle, die eine Hauptversammlung für eine Kapitalerhöhung braucht, von 75 auf 50 Prozent gesenkt werden.

Wieso sollen Aktionäre wie J. C. Flowers überhaupt Entschädigung erhalten?

Das Eigentumsrecht genießt in Deutschland grundgesetzlich einen hohen Stellenwert. Der Staat darf zwar nach Artikel 14 des Grundsgesetzes Eigentum enteignen, wenn dies „dem Wohle der Allgemeinheit“ dient. Allerdings muss der Eigentümer dafür „unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten“ entschädigt werden. Wie hoch der Preis einer solchen Enteignung ist, beschäftigt im Falle von Grundstücken regelmäßig deutsche Gerichte – was im Fall der HRE allein aus Zeitgründen ausfällt. Während in der Union noch gehadert wird mit dem Weg der Enteignung, spricht sich der haushaltspolitische Sprecher der SPD, Carsten Schneider, eindeutig dafür aus: Die Bank „muss enteignet werden“, sagte Schneider am Montag dem Tagesspiegel. Dies sei der einzige Weg, die notwendige staatliche Mehrheit an der Bank zu erreichen, ohne den Steuerzahler zusätzlich zu belasten. Schneider verwahrte sich damit gegen die Übernahme der Aktien der HRE zu einem höheren als dem Börsenwert. Dass die Eigentümer durch einen solchen Schritt finanzielle Einbußen hinnehmen müssten, weil sie die Aktien zu einem weit höheren als dem derzeitigen Preis gekauft haben, bezeichnete Schneider als „unternehmerisches Risiko“. Für ihn stehe fest: „Der Staat darf keinen Cent mehr als den Börsenwert bezahlen.“

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