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Politik: „Ich bin nicht Supermann“

Palästinenser-Premier Kurei über den Umgang mit Terroristen, Israels Zugeständnisse – und schmelzenden Schnee

Herr Kurei, gerade ist ein Treffen von israelischen und palästinensischen Abgesandten gescheitert, bei dem eine Zusammenkunft zwischen Ihnen und Ariel Scharon vorbereitet werden sollte. Davon ist schon lange die Rede. Wird es irgendwann auch klappen?

Das Treffen ist gescheitert – aber nur wegen des plötzlichen Schnees im Nahen Osten am Sonntag. Aber es wird dieses Treffen bald geben. Wir wollen es auch. Ich hoffe, der Schnee schmilzt bald. Ende der Woche haben sich die Unterhändler wieder verabredet. Und ich denke, innerhalb der nächsten zwei Wochen, werde ich Herrn Scharon dann sehen.

Worüber wollen Sie in Berlin mit Bundespräsident Rau und Kanzler Schröder sprechen?

Nach wie vor über eine Umsetzung der Roadmap. Und, natürlich, über die Trennungsmauer. Es besteht kein Zweifel, dass sie den Friedensprozess zerstört. Die Israelis konfiszieren Land, das nicht ihnen gehört, sie spalten das Land. Da bleibt kein Platz mehr für einen palästinensischen Staat.

Welche politische Alternative zum Zaun könnten Sie denn anbieten, um die Angst der Israelis vor Selbstmordattentätern zu mindern?

Aber wir müssen uns doch erst einmal selbst schützen! Mehr als 170 Menschen wurden getötet, seit ich Ministerpräsident bin, mehr als 800 verletzt, mehr als 300 Häuser demoliert. Ich bin durchaus bereit zu sehen, dass auch die Israelis leiden. Mit einem Auge. Aber mit einem Auge müssen auch die Israelis sehen, wie die Palästinenser leiden. Wir alle müssen beide Augen öffnen und in beide Richtungen schauen.

Die Israelis haben in letzter Zeit einige Zugeständnisse gemacht. 17 Siedlungen im Gaza-Streifen sollen geräumt werden, außerdem wird die Linie des Schutzzaunes korrigiert. Wie wollen Sie diesen Prozess der Annäherung am Leben erhalten?

Wir verdienen diese Zugeständnisse, wir müssen nicht auch welche machen. Dies ist unser Territorium. Es ist keine freundliche Geste, dass die Israelis die Siedlungen in Gaza abziehen. Sie sind illegal gebaut worden. Dass die Israelis jetzt abziehen: schön, danke. Wir heißen das sehr willkommen. Aber das war überfällig.

Keine Gegengeste?

Das machen wir doch. Wir steuern von unserer Seite allen guten Willen bei. Wir sind bereit, uns an einen Tisch zu setzen und zu verhandeln. Aber wir sind unter Okkupation. Sie sind die Besatzer. Was sie da jetzt tun, ich sage das noch einmal, ist keine freundliche Geste. Es ist einfach der Preis, den sie dafür bezahlen müssen, dass alle wieder an einem Tisch zusammensitzen können. Wir halten unsererseits alle unsere Verpflichtungen nach der Roadmap ein.

Eine ist, die Terroristen unter Kontrolle zu bekommen. Wie wollen Sie das in Gaza machen, wenn die Israelis weg sind? Können Sie verhindern, dass der Streifen ein Hamas-Staat wird?

Wir werden unsere Verantwortung schon übernehmen.

Aber viele kritiseren, dass Sie sich nicht gegen die Radikalen durchsetzen können. Haben Sie zum Beispiel Terroristen verhaften lassen?

Ich bin nicht Supermann. Ich tue mein Bestes, und die Frage ist nicht, wie viele Menschen ich eingesperrt habe. Außerdem diskutiere ich nicht mit den Medien, was ich getan habe. Nur so viel: Letzte Woche haben wir gerade eine Frau aus Bethlehem festgenommen, sie hatte einen Selbstmordanschlag geplant. Aber es geht nicht um das, was ich veranlasse oder nicht. Es geht um die Besatzung. Besatzung. Israelis und Palästinenser sind nicht gleich. Sie haben die Macht …

Allerdings …

Nein, lassen Sie mich. Selbst wenn es keine Anschläge gibt, geht doch die Vergeltung weiter. Letzte Woche war ich beim Papst in Rom. Er sagte, der Frieden im Heiligen Land brauche Vergebung, nicht Rache.

Wie kann Europa da helfen? Mit Joschka Fischer neuestem Plan?

Europa kann viel beeinflussen, das ist klar. Fischers Plan muss sehr aufmerksam angeschaut werden, wie jeder Plan.

Das Gespräch führten Christine-Felice Röhrs und Clemens Wergin.

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