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Politik: „Ich bin Saddam Hussein, der Präsident des Irak“

Der frühere Machthaber zeigt bei der Verlesung der Anklageschrift keine Reue / UN wollen nach Bagdad zurückkehren

Von Reue ließ der ehemalige irakische Machthaber bei seiner ersten richterlichen Vorführung am Donnerstag nichts erkennen. „Was bilden Sie sich ein, ich bin Saddam Hussein, der Präsident des Irak“, waren die trotzigen Worte des Angeklagten vor der Verlesung der Anklageschrift. Die ersten Bilder nach seiner Festnahme zeigten Saddam Hussein mit eingefallenem Gesicht, tief liegenden Augen und gestutztem Bart. Unter höchsten Sicherheitsvorkehrungen war er in Handschellen in einem gepanzerten Bus in ein Gebäude auf dem US-gesicherten Bagdader Flughafen gebracht worden. Dort fand die Anhörung vor dem irakischen Sondertribunal statt.

Der 67-Jährige wird sich nach Gerichtsangaben wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit verantworten müssen, die sich auf den Krieg gegen Iran, den Einmarsch in Kuwait, Massentötungen von Aufständischen nach der Schiiten-Rebellion 1991, Massengräber, den Einsatz von Giftgas gegen die kurdische Bevölkerung in Halabdscha 1988 sowie die Tötung von kurdischen Stammesmitgliedern und schiitischen Würdenträgern beziehen. Bei einer Verurteilung droht dem Ex-Präsidenten die Todesstrafe.

Den anthrazitgrauen Nadelstreifenanzug mit weißem Hemd bis zum vorletzten Knopf geschlossen, saß Saddam Hussein bei der Anhörung auf einem mit schwarzem Kunstleder bezogenen Stuhl. Als einzige Medienvertreter waren das irakische Fernsehen, zwei arabische und zwei amerikanische Fernsehstationen zugelassen worden. Während des Gerichtstermins zog Saddam Hussein gelegentlich einen grauen Kugelschreiber aus seiner Jacke und machte sich Notizen. Der irakische Richter wurde aus Sicherheitsgründen nur von hinten gezeigt. Das Richtergremium, das später das Verfahren über Saddam führen wird, ist bis heute geheim. Eine formelle Anklage gegen den Ex-Diktator wird erst später erwartet, der Prozess selbst beginnt vermutlich erst im kommenden Jahr.

Der irakische Kurdenführer Dschalal Talabani sprach sich gegen die Todesstrafe für Saddam Hussein aus. Saddam Hussein sei zwar „einer der schlimmsten Verbrecher der Welt“ und „verantwortlich für den Tod von Millionen Menschen“, sagte Talabani bei einem privaten Besuch in Rom der italienischen Tageszeitung „La Repubblica“. „Aber ich bin Rechtsanwalt, und als solcher finde ich, dass er nicht zum Tode verurteilt werden darf.“

Knapp ein Jahr nach ihrem Abzug aus dem Irak wollen die Vereinten Nationen unterdessen nach Informationen der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ in das Land zurückkehren. Unter Leitung eines neuen UN-Sonderbeauftragten solle bis Mitte Juli wieder ein ständiges UN-Büro in Bagdad eröffnet werden, berichtet das Blatt unter Berufung auf den politischen Berater von UN-Generalsekretär Kofi Annan, Kieran Prendergast. Die Zahl der Mitarbeiter der UN-Mission hänge allein von der Sicherheitslage ab. Derzeit sind die UN von irakischen Nachbarstaaten aus im Einsatz.

Die US-Streitkräfte im Irak haben derweil zum vierten Mal seit einem Monat einen Luftangriff auf einen mutmaßlichen Stützpunkt des Extremistenführers Abu Mussab al Sarkawi geflogen. Mehrere Kampfflugzeuge schossen am Donnerstag Raketen auf ein Haus im Osten von Falludscha ab, wie Augenzeugen berichteten. Nach Klinikangaben wurden vier Menschen getötet und zehn verletzt. Die US-Behörden erhöhten das Kopfgeld für Hinweise auf die Ergreifung al Sarkawis von 10 auf 25 Millionen Dollar. Der Jordanier, der in Verbindung zu Al Qaida stehen soll, hat sich zu mehreren Anschlägen im Irak bekannt. Seine Organisation soll auch für die Enthauptung eines Amerikaners und eines Südkoreaners verantwortlich sein. (mit AP/dpa/AFP)

Saddam Hussein hat am Donnerstag alle gegen ihn erhobenen Vorwürfe zurückgewiesen. Bei seinem Auftritt äußerte er sich wie folgt: Zum Vorwurf, er habe den Giftgasangriff auf Halabdscha 1988 und die Tötung tausender Kurden angeordnet: „Ja, ich habe davon gehört.“

Zur Anschuldigung, er habe sich mit der Invasion Kuwaits 1990 schuldig gemacht: „Ich habe das für das irakische Volk getan.“

Nach einer Ermahnung des Richters, sich zu mäßigen: „Das hier ist doch alles Theater. Der wahre Verbrecher ist Bush.“ dpa

Erwin Decker[Bagdad]

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