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Politik: „Ich dachte nicht, dass das bis zum Hass geht“

Bundestagspräsident Wolfgang Thierse sieht die Ursache für Kohls NS-Vergleich im CDU-Spendenskandal

Herr Bundestagspräsident, hat Sie der Vergleich mit dem NS-Politiker Göring getroffen, den Helmut Kohl aufgestellt haben soll?

Das hat mich persönlich verletzt. Zu meinem Lebenslauf gehört von Kindesbeinen an die Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus. Es ist kein Geheimnis, dass ich in tiefster innerer Seele ein Antifaschist bin. Das Engagement gegen Rechtsextremismus ist mir sehr wichtig. Wenn ich dann hören muss, dass ein ehemaliger Bundeskanzler mich mit einem Nazi-Verbrecher vergleicht, dann tut das weh.

Hat das mehr wehgetan als der Vorwurf der Parteilichkeit?

Natürlich tut das mehr weh. Aber auch den Vorwurf der Parteilichkeit weise ich zurück. Ich bin in meiner Amtsführung nicht parteilich – und war es auch nicht am vergangenen Donnerstag. Es war eine turbulente Debatte, wie es sie öfter im Bundestag gibt, auch genügend SPD-Redner waren von diesen Turbulenzen betroffen. Das zeigt, dass prominente Unionspolitiker aus ganz anderen Gründen mit mir hadern.

Aus welchen Gründen?

Wenn man als Bundestagspräsident verpflichtet ist, für die Einhaltung des Parteiengesetzes zu sorgen und notfalls auch Sanktionen auszusprechen, dann macht man sich keine Freunde bei den betroffenen Parteien. Damit musste ich rechnen, aber nicht damit, dass dies bis zum Hass geht.

Sie sprechen von Ihrer Rolle im CDU-Spendenskandal?

Natürlich. Aber wegen des Vorwurfs der Parteilichkeit will ich schon daran erinnern, dass ich auch meine eigene Partei mit Sanktionen überzogen habe. Auch die SPD hat das geschmerzt.

Teilen Sie die Forderung Kanzler Schröders, dass Kanzlerkandidat Stoiber zu Kohls Äußerungen Stellung beziehen muss?

Das Schweigen von Edmund Stoiber ist jedenfalls unüberhörbar. Viele Menschen sind erschrocken über diesen Vorgang. Ein klärendes Wort wäre da schon sehr nützlich. Ich fände es jedenfalls fatal, wenn man glaubte, durch Angriffe auf den Bundestagspräsidenten Vorteile im Wahlkampf zu erlangen.

Ist Kritik am Bundestagspräsidenten generell zulässig?

Natürlich. Aber wir haben eine allgemeine Regel, dass Kritik an der Amtsführung des Präsidenten oder der Vizepräsidenten im Ältestenrat geübt und verhandelt wird. Es dient dem Klima im Parlament, wenn das in einem internen Gremium besprochen wird.

Auch Ihr Parteifreund Richard Schröder hat darauf hingewiesen, dass die zitierten Kohl-Äußerungen in einem Privatgespräch fielen. Muss die Debatte trotzdem sein?

Der Vorwurf ist in der Welt. Es wäre für Helmut Kohl doch das Leichteste gewesen, das zu dementieren. Das hat er nicht getan.

Werden Sie nicht künftig befangen sein, wenn Sie im Bundestag mit Unions-Fraktionschef Friedrich Merz zu tun haben, der Sie ebenfalls mit dem Vorwurf der Parteilichkeit überzieht?

Sie unterschätzen meine innere Unabhängigkeit und Souveränität.

Die Fragen stellten Hans Monath und Ingo Wolff.

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