zum Hauptinhalt

Politik: "Ich würde gerne glauben, dass die Kundgebung kein Fiasko war" - Eindrücke von der Großdemonstration in Belgrad

Donnerstag, 20 August. Ich treffe mich am frühen Abend mit Freunden in der Nähe des Kundgebungsplatzes.

Donnerstag, 20 August. Ich treffe mich am frühen Abend mit Freunden in der Nähe des Kundgebungsplatzes. Von überall strömen Leute zusammen. Dies ist mein Belgrad, dies sind Leute, wie man sie in jeder europäischen Stadt findet. Sie haben nicht verdient, so zu leben, wie sie im Augenblick leben. Gegen halb acht fängt die Veranstaltung an. Zuerst erklingt die jugoslawische Hymne, dann werden Grußbotschaften vorgelesen: zuerst der zustimmende Brief des Kronprinzen Aleksandar Kardajorjevic, dann der des Bischofs von Prizren, Artemije. Dann trat Mladjan Dinkic, Koordinator der 17-Gruppe der Reformer auf. "Warum sind wir hier?", war sein erster Satz. Und zum Schluß sagte er, dass wir die Verantwortung tragen, und dass Milosevic nie mehr eine Chance haben soll, eine Rolle in der serbischen Politik zu spielen.

Zoran Djindjic sagte, daß das Regime, das uns zehn Jahre durch die Zeit der Niederlagen führte, 15 Tage Zeit zum Rücktritt bekommen soll. Er begrüßte die Demonstranten, einschließlich der zehntausend Polizeibeamten in Zivil, die dabei waren. Die Redner wurden regelmäßig von Applaus unterbrochen. Viele riefen immer wieder: "Slobo, verschwinde!", oder "Rote Banditen!" Der Bürgermeister, der auch Mitglied der Serbischen Erneuerungsbewegung ist, sollte eigentlich sprechen, aber die Menge verlangte, Vuk Draskovic solle sprechen. Das tat er dann auch. Der Inhalt seiner Rede löste heftige Kontroversen aus. Draskovic betonte, er teile die Idee einer Übergangsregierung, aber diese solle nicht auf Druck der Straße gebildet werden, sondern im Parlament, in Abstimmung mit verantwortungsvollen Mitgliedern der Regierung. Es gab heftige Reaktionen. Manche pfiffen, andere verließen die Kundgebung. Eins steht fest: Die Leute sind sich vollkommen einig in ihrem Wunsch, einen Wandel herbeizuführen. Das gilt leider nicht für die Führer der Opposition. Werden sie erneut die Chance auf einen Wechsel zunichte machen?

Es ist schwer zu beurteilen, ob jene, die jeden Kontakt zum Establishment ablehnen, Recht haben. Oder doch jene, die meinen, nur der Kontakt zur Regierung und irgendeine Form von Amnestie könnte die Führung zum Rücktritt bewegen. Ich würde gerne glauben, dass die Kundgebung kein Fiasko war, wie die staatlichen Medien behaupten. Selbst wenn es es nur die Gelegenheit war zu zeigen, dass viele einen Wandel wollen. Sie sind es, die eine Chance verdient haben, ein anderes Leben zu führen.Die Autorin ist eine junge Serbin aus Belgrad. Um sie zu schützen, nennen wir ihren richtigen Namen nicht.

Alex K.

Zur Startseite