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Politik: Im Bestechungs-Prozess konnten die Richter dem Chef der "Forza Italia" nichts nachweisen

Giuseppe Pisanu, Fraktionschef von "Forza Italia", hob die Hände zum Himmel. "Herr Präsident", tremolierte er während der Sitzung des römischen Senats am Dienstagabend, "ich habe eine epochale Mitteilung zu machen.

Giuseppe Pisanu, Fraktionschef von "Forza Italia", hob die Hände zum Himmel. "Herr Präsident", tremolierte er während der Sitzung des römischen Senats am Dienstagabend, "ich habe eine epochale Mitteilung zu machen." Die Nachricht bestand darin, dass sein Chef, Oppositionsführer Silvio Berlusconi, vom Revisionsgericht Mailand "in allen Punkten vom Vorwurf der Bestechung freigesprochen wurde". Dann wurde das Tremolo noch emphatischer: "Wer, Herr Präsident", fragte Pisanu den Senatsvorsitzenden und mit ihm die italienische Öffentlichkeit, "wer wird je den Schaden wieder gutmachen, den man diesem Mann angetan hat?" Mit Pathos forderte er: "Erheben wir uns alle zu einem von ganzem Herzen kommenden Applaus für unseren Parteivorsitzenden Silvio Berlusconi."

Applaus gab es, aber aufstehen mochten nur ein paar Hardliner der Berlusconi-Partei. Denn schnell hatte ein anderer Senator das Mikrofon ergriffen - Antonio di Pietro. Er hatte als Chefermittler vor sechs Jahren das Verfahren gegen Berlusconi in Gang gebracht. "Ich habe die Nachricht auch gelesen", brüllte er gegen die "Nieder mit ihm"-Rufe der Berlusconis Anhänger an, "und da steht, dass er nur in einem von vier Anklagepunkten freigesprochen wurde, die anderen sind lediglich verjährt. Und das bedeutet, dass unsere Anklagen korrekt waren."

Das Argument machte auch im Senat Eindruck. Berlusconi, der nicht zu den Senatoren gehört und deshalb auch nicht anwesend war, soll nach Berichten seiner Mitarbeiter geschäumt haben - nicht nur gegen Di Pietro, sondern auch gegen das Gericht. Denn in der Tat war es am Ende nur ein Freispruch zweiter Klasse: Indem die Richter ihn in einem Punkt - der ansonsten auch verjährt gewesen wäre - freisprachen, für die anderen aber die Verjährung reklamierten, zeigten sie, dass sie ihn in diesen Punkten im Grunde für schuldig hielten. Sonst hätten die Juristen auch in diesen Fragen auf "erwiesene Unschuld" erkennen müssen.

Dennoch: Berlusconi hat wie viele andere, die wegen Korruptionsvorwürfen vor Gericht kamen, gute Chancen, mit Hilfe von cleveren, aufs Verschleppen von Verfahren spezialisierten Anwälten straflos davonzukommen: Die meisten Vergehen verjähren nach zehn Jahren, und das soeben in der Revision beendete ist überhaupt das älteste, das Berlusconi am Hals hat. Beobachter erinnern sich noch gut daran, wie der Medienunternehmer, damals Ministerpräsident, mit leichenblassem Gesicht die Nachricht entgegennahm, soeben sei ein Ermittlungsverfahren gegen ihn eröffnet worden. Spektakulärer hätte es kaum sein können: Berlusconi war damals Vorsitzender der in Neapel tagenden UN-Kommission zum Kampf gegen das Organisierte Verbrechen. Die politische Rechte behauptet bis heute, diese Aktion der Mailänder Sonderkommission "Mani Pulite" ("Saubere Hände") habe den Sturz des Regierungschefs Berlusconi ausgelöst, der wenig später abtreten musste. "Praktisch der Versuch eines Staatsstreiches", hatte die Rechte damals schon getönt. Doch in der ersten Instanz verurteilte ein Mailänder Gericht Berlusconi dann doch zu zwei Jahren und neun Monaten Haft.

Mittlerweile aber scheint es, als wäre für die Aktion "Saubere Hände" endgültig das Aus gekommen. Das nun abgeschlossene Verfahren ist schon der vierte Prozess gegen Berlusconi, der ohne klares Ergebnis zu Ende ging. Di Pietro wehrte sich im Senat denn auch ganz entschieden gegen die Deutung, die Freisprüche seien "eine Ohrfeige" für die Staatsanwaltschaft und ihren damaligen Oberermittler. "Das war keine Pleite für die Anklage," rief er, "sondern eine Pleite für die italienische Justiz, die es nicht verstanden hat, einen relativ einfachen Prozess innerhalb von sechs Jahren zu Ende zu bringen." Sein ehemaliger Chef, Generalstaatsanwalt Saverio Borelli, stützt diese Argumentation mit Zahlen: Gegen mehr als tausend Personen hatten die Mailänder alleine zwischen 1992 und 1995 ermittelt, mit einer ausgesprochen hohen Verurteilungsquote in den unteren Instanzen - mehr als 80 Prozent der Anklagen führten zu Geld- oder Gefängnisstrafen. Aber gerade mal zehn Prozent der Beschuldigten wurden am Ende rechtskräftig verurteilt. Eine Haftstrafe von zehn Jahren wurde etwa gegen den mittlerweile verstorbenen ehemaligen Chef der Sozialistischen Partei, Bettino Craxi, verhängt, der sich allerdings ins Ausland abgesetzt hatte. Die restlichen Verfahren werden in höheren Instanzen neu verhandelt, oder die Taten sind, wie im Fall Berlusconis, verjährt.

Di Pietro selbst hatte bereits Ende 1994 die veränderte Stimmung gespürt und seine Staatsanwalts-Toga ausgezogen und für immer an den Nagel gehängt - ausgerechnet am letzten Tag des ersten großen Prozesses gegen Manager und die Creme der politischen Nomenklatura. Allerdings hat ihn seine damalige Hoffnung getrogen, er könne im Kampf gegen die Korruption mehr erreichen, wenn er in die Politik ginge. Zwar wurde er von der Rechten und der Linken umschwärmt, weil er als wählerwirksames Zugpferd galt. Aber einflussreiche Ämter, in denen er sein Ziel hätte voranbringen können, bekam er nicht.

Umso eifriger bemüht er sich nun, die dunklen Stellen in Berlusconis Karriere gebührlich hervorzuheben. Der hat die Gefahr für seine politische Zukunft, die ihm daraus erwächst, durchaus erkannt und seine Verteidiger beauftragt, gegen "diesen Freispruch zweiter Klasse" nochmals in die Revision zu gehen - er möchte wegen erwiesener Unschuld freigesprochen werden.

Das aber könnte, und hierin liegt die letzte Hoffnung der Mailänder Ankläger, für ihn doch noch zum Bumerang werden. Denn das Gericht hat die Bestechung seitens der Berlusconi-Firmen ausdrücklich als bewiesen angesehen: Die Urteile gegen die Manager, die damals direkt mit den Finanzbeamten verhandelt hatten und deren Taten noch nicht verjährt waren, wurden bestätigt, die schuldigen Finanzbeamten wegen Bestechlichkeit verurteilt. Fraktionschef Giuseppe Pisanu hat denn auch offenbar inzwischen vom Chef persönlich Order bekommen, die Sache nicht mehr allzu hochzuhängen. Am Tag nach dem Freispruch zweiter Klasse war Pisanu nur noch der Satz zu entlocken, Di Pietro möge doch endlich schweigen.

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