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Im Blick: Mit viel Energie

Dagmar Dehmer macht sich Gedanken über Wüstenstrom aus Nordafrika.

In der Energiepolitik gibt es Projekte, die seit Jahrzehnten immer so etwa 30 Jahre vom Durchbruch entfernt sind: die Kernfusion zum Beispiel, oder auch der Brennstoffzellenantrieb beim Auto. Es gibt aber auch durchaus realistische Energieprojekte mit gewaltigem Potenzial, denen es nicht anders ergeht. Ein Beispiel ist der Staudamm Inga Shaba in der Demokratischen Republik Kongo, der das Potenzial hätte, ganz Afrika mit Energie zu versorgen. Die Umsetzung ist bisher an den Verhältnissen im Kongo gescheitert.

Dieses Risiko ist auch beim Desertec- Projekt vorhanden. Der in den Wüstenstaaten Nordafrikas erneuerbar erzeugte Strom soll teilweise nach Europa exportiert werden. Dabei sind die natürlichen Gegebenheiten ideal: An den Küsten der nordafrikanischen Staaten herrschen ideale Bedingungen für große Windparks. Und nirgendwo gibt es mehr Sonnenstunden, um solarthermische Kraftwerke anzutreiben. Das Potenzial ist den meisten nordafrikanischen Staaten durchaus bewusst. 2007 kündigte beispielsweise Ägypten an, bis 2020 rund 20 Prozent des Stroms aus erneuerbaren Quellen erzeugen zu wollen. Dabei herausgekommen ist bisher ein Windpark, der 2007 auch schon stand, und ein Gaskraftwerk, das mit einem solarthermischen Kraftwerk kombiniert worden ist – bezahlt hat dafür die Weltbank.

Auch der libysche Präsident Muammar Gaddafi redet gerne und oft über erneuerbare Energien, seit Jahren. Nur ist dabei bisher noch nichts herausgekommen. In Libyen gibt es zwar detaillierte Windkarten für jeden Küstenabschnitt, aber nach wie vor keine Windräder.

Einzig in Marokko sind bereits zwei Windparks entlang der Küsten in Betrieb genommen worden. Jordanien taucht als einziges arabisches oder nordafrikanisches Land im aktuellen Statusbericht zum Ausbau der erneuerbaren Energien, der jährlich vom REN21-Sekretariat herausgegeben wird, in einer der Listen mit den jeweils zehn Besten auf – dank eines Solarthermie-Anteils von 0,6 Prozent an der Energieversorgung des Landes.

Die politischen Verhältnisse in Nordafrika verlangsamen jede noch so gute Idee. Diese Erfahrung gilt nicht nur für Energieprojekte. Auch groß angelegte politische Reformprozesse kommen in Nordafrika einfach nicht voran. Der von der EU und den Mittelmeeranrainer-Staaten 1995 begonnene Barcelona-Prozess endete zwar 2008 mit einer Mittelmeerunion. Das war aber eher ein Akt der Verzweiflung, weil sich auch nach 14 Jahren noch nahezu nichts ereignet hatte. Und selbst die vom hyperaktiven französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy betriebene Mittelmeerunion könnte ein ähnliches Schicksal erleiden. Ein gutes Jahr nach der Gründung existiert noch nicht einmal das Sekretariat der Union.

Das soll den Elan der Desertec-Verfechter nicht bremsen. Doch wenn ihre Pläne nicht an der nordafrikanischen Realität zerschellen sollen, müssen sie sich auf langwierige Verhandlungen einstellen. Und sie müssen sich daran gewöhnen, dass sie Verhandlungspartner haben, für die Vertragstreue nicht das Wichtigste ist.

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