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Im BLICK: Unvergleichlicher Petraeus

General David Petraeus hat schon einmal einem US-Präsidenten das politische Leben gerettet. Drei Jahre ist das her.

Von Michael Schmidt

General David Petraeus hat schon einmal einem US-Präsidenten das politische Leben gerettet. Drei Jahre ist das her. George W. Bushs Ära drohte im Irakchaos unterzugehen. Er beauftragte den Vier-Sterne-General, eine Wende herbeizuführen. Der erfüllte die Aufgabe. Petraeus, der als Intellektueller in Uniform gilt, brachte den heillos verfahrenen Einsatz zu einem einigermaßen gesichtswahrenden Ende. Jetzt soll er für Barack Obama die Kohlen aus dem afghanischen Feuer holen. Das liegt durchaus nahe, denn die aktuelle Afghanistanstrategie entstammt Hirn und Feder des 57-Jährigen – und fußt auf dessen Erfahrungen im Irak. Doch taugt das Zweistromland, eben noch Schreckbild eines ausweglosen, blutigen Chaos, tatsächlich zum Vorbild für eine Befriedung Afghanistans?

Die Erfahrung mahnt zur Skepsis. Der Vergleich ernüchtert. Das Wort vom zivilen „Wieder“-Aufbau führt in die Irre: Im Gegensatz zum Irak hat Afghanistan nämlich nie moderne Staats- und Gesellschaftsstrukturen gehabt, an die sich anknüpfen ließe. Es fehlt an verlässlichen politischen Partnern in Kabul. Der größte und einzig wachsende Wirtschaftszweig in dem Land am Hindukusch, das zu den ärmsten der Welt gehört, ist der Drogenanbau und -handel. Hinzu kommt: Den USA fehlen angesichts zweier langer, verlustreicher und desillusionierender Kriege nicht nur die Ressourcen, sondern auch der politische Wille und die Unterstützung an der Heimatfront, um in diesen Wirtschaftskrisenzeiten fernab von daheim Staatenbildung zu betreiben. Ein ohnehin schwieriges Unterfangen, da die Bevölkerung im ländlich strukturierten Afghanistan sehr viel verstreuter lebt als im ungleich städtischer geprägten Irak.

Was also ist zu tun? Wie im Irak will Petraeus mit zusätzlichen Truppen die Taliban zurückschlagen; die Feinde seiner Feinde stärken, indem er Aufständische durch Warlords bekämpfen lässt; junge Kämpfer resozialisieren, indem er sie mit Jobs und Amnestieangeboten zurück in die Gesellschaft lockt – und vor allem und immer wieder mit absolutem Vorrang die Zivilbevölkerung schützen, Herz und Hirn der passiven Mehrheit für sich gewinnen. Man sieht dieser Strategie an, dass sie aus den Fehlern der Vergangenheit geboren ist – und sie zu vermeiden sucht. Das spricht für sie. Allein – die Anzeichen mehren sich, dass auch dieser Versuch scheitern wird. Vor allem aus zwei Gründen.

Erstens: Soldaten sind nicht die besseren Polizisten. Sie sind nicht dafür ausgebildet, als Freund und Helfer aufzutreten, auf Einheimische zuzugehen und das Gespräch zu suchen. Es entspricht vielmehr der institutionellen Logik des Militärs, Sicherheit über alles zu stellen und Distanz zu wahren. Zweitens: Das Vertrauen der Afghanen ist nur schwer zu gewinnen – ihre Loyalität fast gar nicht. Sie arbeiten mit dem zusammen, der besser zahlt, und sind, der Not gehorchend, wenn nötig oder möglich auch Diener zweier Herren. Doch Afghanen, weiß ein Sprichwort, kann man nicht kaufen, nur mieten. Und wer wollte ihnen verdenken, dass sie sich auf die Seite der wahrscheinlichen Sieger schlagen – und diese nicht in den Nato-Soldaten sehen. Schließlich haben die angekündigt, so bald wie möglich abzuziehen und sie also ihrem Schicksal zu über- und mit den Taliban wieder allein zu lassen.

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