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Im Bundestag: Ist der PC nicht pc?

Im Bundestag wird häufig über den Technologiestandort Deutschland fabuliert. Doch als Vorbild taugt der Bundestag nicht, ein papierloses Parlament sieht anders aus: Notebooks sind bislang verboten. Jetzt wird erwogen, das zu ändern.

Berlin - Im Bundestag werden jährlich über 85 Millionen Blatt Papier verbraucht. Ziemlich viel Müll wird dabei produziert, was nicht despektierlich klingen soll, sondern nüchtern die Realität beschreibt. Denn ein Großteil dieser rund 435 Tonnen Zellstoff verlässt das hohe Haus in Altpapiercontainern. Was liegt da näher, als dem papierlosen Parlament ein wenig auf die Sprünge zu helfen. Das hatte sich auch der Abgeordnete Jimmy Schulz (FDP) gedacht. Er war kürzlich mit seinem frisch erworbenen iPad im Plenum erschienen und hatte seine Rede vom Tablet-Computer abgelesen.

Jetzt ist die Aufregung groß, denn der 40-jährige Novize hat sich damit demonstrativ über die Regeln des Bundestages hinweggesetzt. Schulz ist IT-Unternehmer und nutzt „ganz selbstverständlich“ moderne Kommunikationsmittel. Doch das Präsidium des Bundestages teilte ihm nüchtern mit, „die Nutzung von Laptops im Plenum ist nach einer Übereinkunft vom Februar 2003 nicht zulässig“, auch der „Gebrauch von Mobiltelefonen“ sei verboten. Dabei wird diese Übereinkunft von den Abgeordneten längst klammheimlich unterlaufen. Eifrig wird im hohen Haus gemailt und getwittert, selbst die Kanzlerin simst auf der Regierungsbank. Zudem sollen Abgeordnete auch schon mal ihr Notebook ins Plenum geschmuggelt haben, damit sie keine schweren Akten schleppen müssen.

Der Bundestag tut sich schwer mit technischen Innovationen. Offiziell ist es immer noch so, dass die Saaldiener bemüht werden, um Abgeordneten Mitteilungen zu überbringen. Gesetzentwürfe müssen schriftlich vorliegen. Wird ein einziger Paragraf geändert, muss das ganze Dokument neu ausgedruckt werden. „Wir brauchen elektronische Hilfsmittel, um effizient arbeiten zu können“, sagt Schulz.

Jetzt will das Parlament dem Fortschritt eine Chance geben. „Vor dem Hintergrund der aktuellen technischen Entwicklungen“ werde sich der zuständige Geschäftsordnungsausschuss „mit der Nutzung von elektronischen Kommunikationsmitteln im Plenum befassen“, heißt es. Doch schnelle Entscheidungen sind nicht zu erwarten. Zunächst will der Ausschuss recherchieren, wie es Parlamentskollegen in anderen Ländern mit Smartphones oder Notebooks halten. Die Prüfung erfolge „ergebnisoffen“, betont der Ausschussvorsitzende Thomas Strobl (CDU), eine Entscheidung müsse „klug abgewägt“ werden.

Denn der Fortschritt hat auch seine Tücken. Elektronische Dokumente können manipuliert werden, ob mehr Technik wirklich zu weniger Bürokratie und weniger Papierverbrauch führt, muss sich erst noch erweisen. Zudem nutzen Abgeordneten ihre Mini-Computer auch, um live aus vertraulichen Sitzungen zu berichten. Im vergangenen Jahr twitterte die CDU-Abgeordnete Julia Klöckner gar das Ergebnis der Bundespräsidentenwahl, bevor es offiziell verkündet worden war.

Und noch ein Szenario schreckt Thomas Stobl, schließlich lenkten die Geräte die Abgeordneten auch ab. Im Plenum könnte es dazu kommen, dass Redner vor einer „virtuellen Mauer“ stehen, weil alle Parlamentarier nur auf ihre Notebooks schauen. Deshalb sagt er, „im Parlament muss der IQ im Mittelpunkt stehen, nicht das iPad“.

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