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Politik: Im Ernstfall für den Eigennutz

Die SPD-Landesfürsten verstärken ihren Widerstand gegen die Ausbildungsumlage – aber die ist ein Prestigeprojekt des künftigen Parteichefs

Von A. Frese, M. Mara,

H. Monath und J. Zurheide

Der Widerstand sozialdemokratischer Ministerpräsidenten gegen die geplante Ausbildungsumlage sorgt weiter für Spannungen innerhalb der SPD. Nachdem der designierte Parteichef Franz Müntefering am Montag im SPD-Präsidium erneut eine gesetzliche Regelung angekündigt hatte, bekräftigten die Landesregierungen von Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein am Dienstag ihren Widerstand gegen eine Lösung, die keine Rücksicht auf erfolgreich arbeitende regionale Bündnisse für Ausbildung nimmt. Ausnahmeregelungen lehnen die Befürworter der Umlage jedoch ab, weil das Gesetz dann im Bundesrat scheitern würde.

Viele Sozialdemokraten fürchten nun, der Streit könne das Bemühen um Geschlossenheit der Partei stören und die Autorität Münteferings untergraben. Einen Affront gegen den designierten Parteichef würden die SPD-Landespolitiker nach Informationen des Tagesspiegels zwar gerne vermeiden. Doch sind mehrere SPD-Ministerpräsidenten offenbar gewillt, im Ernstfall den Konflikt mit Berlin zu riskieren. Vor der SPD-Landtagsfraktion sagte NRW-Regierungschef Peer Steinbrück am Dienstag: „Das muss im Interesse von NRW sein, das ist das einzige Entscheidungskriterium.“

Die Kieler Ministerpräsidentin Heide Simonis bestritt, dass die Suche nach einer Alternative zu dem angekündigten Gesetz oder nach einer Lösung, die regionale Ausnahmen ermöglicht, die Autorität des künftigen Parteichefs untergrabe. „Eine Diskussion über die beste Lösung für die jungen Menschen und die Betriebe wird Franz Müntefering mit Sicherheit noch lange nicht beschädigen“, sagte sie dem Tagesspiegel.

Simonis plädierte erneut dafür, freiwillige Lösungen einer gesetzlich festgelegten Abgabe vorzuziehen. Sie wollte aber keine Voraussage treffen, wie ihre Regierung im Bundesrat abstimmen werde. „Wie wir uns dann verhalten und welche Vorschläge wir gegebenenfalls machen werden, entscheiden wir im Kabinett, wenn es so weit ist.“

Auch Steinbrück und sein Mainzer Kollege Kurt Beck lehnten die angekündigte Gesetzesregelung erneut ab. „Bei einer Abgabe besteht die Tendenz zur Verstaatlichung, und das wollen wir nicht“, sagte Steinbrück dem Tagesspiegel.

Beck warnte vor Journalisten davor, dass neue Transferleistungen im Rahmen einer bundesweiten Umlage zur Belastung werden könnten. „ Ich bin sehr wohl für Solidarität mit dem Osten, das beweisen wir mit 80 Millionen Euro von West nach Ost in jedem Jahr“, sagt er. Beck, der SPD-Parteivize ist, warnte davor, „einen neuen Transfermechanismus“ zu installieren: „ Das ist zu viel.“

Brandenburgs Ministerpäsident Mattthias Platzeck appellierte an die Bundestagsfraktion, in ihrem Gesetzentwurf Rücksicht auf freiwillige Vereinbarungen in den Ländern zu nehmen. Regionale Lösungen seien „am ehesten Erfolg versprechend“, sagte er am Dienstag dem Tagesspiegel. „Sie sollten in die jetzigen Überlegungen unbedingt einbezogen werden.“ An die Wirtschaft appellierte er, alles zu tun, damit ein Gesetz nicht nötig werde. „Die Ausbildungsplatzumlage ist und bleibt eine Notlösung, auf die niemand scharf ist“, sagte er.

DIHK-Chef Ludwig Georg Braun erklärte nach Informationen des „Handelsblatts“ der SPD-Fraktion, die Kammern könnten kurzfristig keine „belastbaren" Zusagen für ein bundesweit ausreichendes Lehrstellenangebot machen. Dem Tagesspiegel sagte Braun: „Von den 1,7 Millionen Betrieben, die nicht ausbilden, haben 1,5 Millionen weniger als zehn Beschäftigte. Diese Gruppe wollen selbst SPD und Grüne nicht belasten. Die verbleibenden 200000 Betriebe werden wir nur mit guten Argumenten vom Nutzen einer betrieblichen Ausbildung überzeugen können. Allein die Debatte um die Abgabe führt hingegen schon zu Verunsicherung in den Betrieben und bremst die Ausbildungslust zu Jahrebeginn 2004. Das ist das Gegenteil von dem, was wir brauchen.“

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