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Politik: Im Grenzland der Demokratie

Wer ist die "Neue Rechte"? Der Medienrummel um dieses Phänomen Anfang der neunziger Jahre stiftete mehr Verwirrung als Klarheit.

Wer ist die "Neue Rechte"? Der Medienrummel um dieses Phänomen Anfang der neunziger Jahre stiftete mehr Verwirrung als Klarheit. Wer dem öffentlichen Meinungsstrom entgegenschwamm, dem wurde schnell das Etikett "Neuer Rechter" angeheftet. Die TV-Moderatorin Alice Brauner-Orthen plädiert demgegenüber mit guten Argumenten dafür, den Begriff nur auf jene intellektuellen Zirkel anzuwenden, die in der Tradition der "Konservativen Revolution" der Weimarer Republik stehen. Unterscheiden lässt sich dabei zwischen "Jungkonservativen" wie Carl Schmitt und "Nationalrevolutionären" wie Ernst Jünger. Während Strategie, Ideologie und Organisation einer so umgrenzten "Neuen Rechten" bis zur Vereinigung bereits gut erforscht wurde, fehlt es bislang an Analysen der Entwicklung danach.

Brauner-Orthen bietet einen Überblick über die "Neue Rechte", versäumt es aber, die Frage nach Kontinuitäten und Brüchen in den Bereichen Strategie, Ideologie und Organisation zur Zeit vor der Vereinigung zu beantworten. Gehört die "Neue Rechte" zum Rechtsextremismus oder siedelt sie noch im Feld der Demokratie? Auch diese zentrale Frage umschifft die Autorin. Die Einordnung von Hans-Dietrich Sanders "Staatsbriefen" als "rechtsextreme Postille" und damit nicht zur "Neuen Rechten" gehörig, legt nahe, dass beide Zuordnungen einander ausschlössen. Dies ist aber falsch. Die "Neue Rechte" findet sich im Grenzgebiet, in dem rechtsextreme und rechtsdemokratische Ansichten aufeinander treffen. Rechtsextreme sind in den Reihen der "Neuen Rechten" eher die Regel als die Ausnahme.

Am stärksten ist die Arbeit da, wo sich die Autorin eine Korrektur anderer Publikationen erlaubt. So stellt die Verfasserin zu Recht klar, dass die noch immer vielfach der "Neuen Rechten" zugerechnete Zeitschrift "Mut", zu deren Autoren und Interviewpartnern etwa Ignatz Bubis, Daniel Cohn-Bendit und Oskar Lafontaine gehörten, längst in demokratisches Fahrwasser umgesteuert hat.

Der entscheidende Mangel des Buches ist, dass die Autorin ihre Begriffseingrenzung nicht konsequent handhabt. Es wäre sinnvoll gewesen, Strategie, Ideologie und Organisation der "Konservativen Revolution" vorzustellen, um auf dieser Grundlage zu entscheiden, welche gegenwärtigen Personen und Gruppierungen in deren Tradition stehen. In dem Maße, in dem Brauner-Orthen ihre klare Ausgangsdefinition aus dem Blick verliert, geht ihr und damit auch dem Leser der rote Faden verloren.

Steffen Kailitz

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