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Politik: Im Hintergrund Tschetschenien

Die neue Unruhe im Kaukasus geht vermutlich auf den Rebellenführer Bassajew zurück – er will die Region destabilisieren

Von Frank Jansen

Berlin - Die russische Kaukasusregion wird erneut von heftigen Kämpfen erschüttert. Am Donnerstag haben sich mutmaßlich islamistische Rebellen in der Teilrepublik Kabardino-Balkarien stundenlange Gefechte mit Armee und Polizei geliefert. Die etwa 100 bis 200 Kämpfer attackierten in der Hauptstadt Naltschik mehrere Regierungsgebäude. Nach Informationen der russischen Nachrichtenagentur Interfax stürmten die Rebellen auch eine Polizeistation und nahmen mehrere Beamte als Geiseln. Bei den Kämpfen in Naltschik seien mehr als 50 Angreifer getötet worden, sagte der stellvertretende russische Innenminister Alexander Tschekalin in Moskau. In anderen Berichten war außerdem von zehn bis zwölf getöteten Einwohnern Naltschiks die Rede. Der Versuch der Rebellen, den Flughafen der Stadt einzunehmen, scheiterte am Widerstand der Sicherheitskräfte.

Berichte, ähnlich wie bei der Tragödie im 100 Kilometer entfernten Beslan vor einem Jahr hätten die Rebellen auch in Naltschik eine Schule überfallen, bestätigten sich nicht. Sicherheitskräfte evakuierten allerdings zu Beginn des Überfalls eine Schule nahe dem Polizeihauptquartier von Naltschik. Das Ausmaß der Kämpfe in der 235000 Einwohner zählenden Stadt blieb allerdings angesichts widersprüchlicher Meldungen aus Kabardino-Balkarien und Moskau unklar.

Als mutmaßlicher Initiator des Angriffs gilt der tschetschenische Rebellenführer Schamil Bassajew. Der Islamist habe sich vor nicht allzu langer Zeit in Kabardino-Balkarien aufgehalten, berichteten Sicherheitskreise dem Tagesspiegel. Die Teilrepublik gehöre zum „Aktionsradius“ von Bassajew. Der Überfall auf Naltschik sei vermutlich Teil der Strategie Bassajews, von Tschetschenien aus den gesamten Kaukasus zu destabilisieren. Die Handschrift des mit Al Qaida verbündeten Rebellenchefs sei diesmal genauso zu erkennen wie bei dem Angriff, der im Juni 2004 in der Kaukasusrepublik Inguschetien verübt wurde. Dort hatten 200 Kämpfer in mehreren Städten ebenfalls staatliche Gebäude attackiert. Die Rebellen töteten den Innenminister und den Gesundheitsminister Inguschetiens. Außerdem kamen 90 weitere Menschen ums Leben.

Bassajew hat sich auch zu dem Überfall auf die Schule in der nordossetischen Stadt Beslan bekannt. Bei der Geiselnahme und dem folgenden Sturmangriff russischer Sicherheitskräfte starben im September 2004 mehr als 330 Kinder.

Der Rebellenchef habe sich vermutlich wie bei den Angriffen in Beslan und Inguschetien auch in Kabardino-Balkarien mit örtlichen Islamisten zusammengetan, vermuten Sicherheitsexperten. In der Teilrepublik gebe es 22 islamistische Jugendgruppen, sagte der Leiter der Polizei von Naltschik im Juni zu Radio Free Europe. Als besonders gefährlich gilt die seit 2002 agierende „Jamaat Yarmuk“. Im Januar 2005 töteten russische Spezialeinheiten in Naltschik den Yarmuk-Anführer Muslim Atajew und weitere Mitglieder der Gruppe, darunter auch Frauen. Das Gefecht dauerte zwei Tage.

Im August wurde auf der Homepage „Kavkazcenter“, die von Sympathisanten der tschetschenischen Rebellen betrieben wird, ein Aufruf der Yarmuk-Kämpfer zum Dschihad, dem heiligen Krieg, veröffentlicht. „Wir kämpfen gegen die Invasoren und Aggressoren, die das Land der Muslime besetzt haben und sich als Herren aufspielen“ steht neben weiteren antirussischen Hassparolen unter einem Foto maskierter und bewaffneter Islamisten. Außerdem wird den Russen vorgeworfen, sie begingen einen Völkermord an den Tschetschenen.

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