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Politik: Im kleinen Kolosseum

Von Lorenz Maroldt

Für die Freunde des verräterischen Details war einiges Interessante zu sehen und zu hören beim „Duell“ von Kanzler und Kandidatin. Brutto und Netto saß zwar diesmal, aber Cent und Prozent purzelten gleich zu Beginn bei Merkel ziemlich durcheinander, und zwischendurch zog der Kanzler eine Schuldenbilanz „bis zum Ende meiner Regierungszeit“, um sich sogleich zu verbessern: bis zum Endes dieses Jahres. Am Ende dieses Duells aber blieb keiner der beiden „Kombattanten“, wie Moderatorin Maybritt Illner den Amtsinhaber und die Herausforderin etwas zu martialisch nannte, getroffen am Boden liegen; auch das zuvor der Dramatik wegen bemühte Bild vom Fernsehstudio als Kolosseum erwies sich als falsch. Dazu griffen die Moderatoren zu oft und zu schematisch ein, in Sorge um ihre „Themenblöcke“, und dazu lächelten die Befragten zu einstudiert immer dann, wenn ihnen etwas nicht passte. Ein echter Schlagabtausch blieb deshalb selten, aber immer dann, wenn er entbrannte, lud sich Spannung auf – wichtig war ja nicht nur, was beide sagten, sondern wie sie wirkten.

Beide hatten starke Momente. Merkel zum Beispiel, als sie sagte, dass die KohlRegierung, der ja auch sie angehörte, damals abgewählt wurde, weil sie nicht weit genug ging bei den Reformen – so wie jetzt die Regierung Schröder. Das war souverän. Schröder wiederum fragte Merkel: „Warum machen Sie alles schlecht in diesem Land?“ Was ein Kanzlerbonus ist, das weiß Schröder genau, und er hat ihn leidlich genutzt. Es kann eben nicht jeder lässig erzählen, was er „dem G7-Gipfel vorgeschlagen“ hat. Schröders Malus ist die Sache mit dem Vertrauen, der Widerspruch in seinem Bemühen, das fortzusetzen, was ihm die eigenen Leute verwehrten. Merkel setzte dieses Argument gut an, als der Kanzler Zweifel an ihrer Durchsetzungskraft streute.

Peinlich kleinlich wurde es bei der Diskussion über Merkels Finanzministerkandidaten Kirchhof. Ob der nun ein konservatives Familienbild in einem eher privaten Umfeld oder in einem Interview geäußert hat, ist weniger relevant als die Frage nach den 418 ungenannten Steuersubventionen, die er streichen will. Merkel blieb die Antwort darauf mit einem Hinweis auf das Buch „1000 legale Steuertricks“ schuldig. Schröder konnte unterbringen, dass er seine Frau dafür liebt, dass sie lebt, was sie sagt, und gesagt hatte sie, sinngemäß, dass Angela Merkel nicht glaubhaft über Familie sprechen kann, weil sie keine Kinder hat. Merkel schafft es dafür, daran zu erinnern, dass Schröder irgendwann einmal Lehrer als faule Säcke bezeichnet hatte. Es war nicht die ganze Zeit so schlimm.

Gegen Ende nahm die Sache Fahrt auf, als die Zahlenthemen endlich abgehakt waren. Wer nun wann den demographischen Faktor mit welcher Wirkung eingeführt, abgeschafft und wieder eingeführt hat – ach je. Wer das verfolgen konnte, sollte doppeltes Stimmrecht erhalten. Schröder gab sich als zum Schluss als Kämpfer, dessen Kraft „ganz erheblich“ sei. Er kam klarer zum Punkt: Mit ihm gebe es maßvolle Reformen, hätten es Arme besser, gebe es mehr Öko und weniger Krieg. Und er nutzte die Hurrikankatastrophe, um zu sagen, dass ein starker Staat vielleicht doch nicht ganz so verkehrt ist. Merkel war da blasser.

Die Umfragen weisen Schröder als Sieger aus, absolut jedenfalls. Relativ zur Erwartungshaltung sieht das für ihn schon nicht mehr ganz so gut aus. Aber er sagt ja selbst: Nicht die Umfragen will er gewinnen, sondern die Wahl. Gestern, das war nur ein bisschen Fernsehen.

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