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Das Gremium müsse „in seiner Zusammensetzung die Gegebenheiten der Welt des 21. Jahrhunderts“ widerspiegeln, sagte Außenminister Guido Westerwelle über den Sicherheitsrat. Afrika, Lateinamerika und Asien seien noch deutlich unterrepräsentiert. Foto: Stan Honda/AFP

© AFP

Politik: Im Kreis der Mächtigen

Ab Januar ist Deutschland nichtständiges Mitglied im Sicherheitsrat. Das Ziel aber ist ein Dauersitz im wichtigsten UN-Gremium

Rein geografisch profitieren die deutschen Uno-Diplomaten in New York schon von einer besten Lage. Die Ständige Vertretung der Bundesrepublik mit der Adresse 871 United Nations Plaza liegt nur ein paar Schritte vom Sitz der Weltorganisation entfernt. Jetzt rücken die Deutschen auch politisch in eine Topposition vor: Am 1. Januar erhält Deutschland einen nichtständigen Sitz im UN-Sicherheitsrat; die Bundesrepublik wird im obersten Uno-Gremium für zwei Jahre den Lauf der Weltpolitik mitbestimmen.

Bundesaußenminister Guido Westerwelle verspricht: Berlin werde sich in New York für „Frieden und Entwicklung“ auf dem Globus starkmachen. Die Bundesrepublik verfolgt aber auch ein eigennütziges Ziel während ihrer fünften Ratsmitgliedschaft seit 1977: Man will die Reform der UN-Schaltzentrale vorantreiben – am Ende eines Umbaus erwartet Berlin einen ständigen Sitz für sich. Doch auf dem Weg der Deutschen zu einer permanenten Mitgliedschaft in dem elitären Kreis türmen sich Hindernisse auf: So zeigen die etablierten Mächte wie die USA kaum Interesse, ihre Privilegien zu teilen.

Berlin betont, dass Deutschland als drittgrößter Beitragszahler, generöser Geber von Entwicklungshilfe, wichtiger Truppensteller für Friedensmissionen und als Vorreiter beim Schutz der Menschenrechte sich für einen Sitz ohne Verfallsdatum im obersten Uno-Gremium empfohlen habe. Die Deutschen wollen in den nächsten 24 Monaten mit dem anderen nichtständigen Mitglied Indien gemeinsame Sache machen – auch die Asiaten pochen auf eine Modernisierung des Rates. „Natürlich werden Indien und Deutschland versuchen, die Reform der Vereinten Nationen so voranzutreiben, dass der ständige Sitz unserer Länder dort auch Realität wird“, betont Bundeskanzlerin Angela Merkel. In den nächsten beiden Jahren nimmt auch Südafrika im Sicherheitsrat vorübergehend einen Platz ein. Und Brasilien und Nigeria entscheiden noch bis Ende 2011 im Rat mit. Die drei Schwergewichte aus dem südlichen Teil der Erde haben ebenfalls einen ständigen Sitz im Visier.

Im Idealfall würden alle fünf ambitionierten Regierungen ihre Kräfte bündeln, um einer Reform des Sicherheitsrates näherzukommen. Doch können sich die Politiker aus den verschiedenen Erdteilen auf eine Strategie einigen? „Es besteht die Gefahr, dass es zu Reibereien kommt und somit eine Chance verpasst wird“, erklärt David Bosold von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik. Schon beim letzten großen Anlauf einer Gruppe von Staaten kam es zu Abstimmungsschwierigkeiten: Die G4, also Deutschland, Japan, Indien und Brasilien, lancierten Mitte der neunziger Jahre ihre gemeinsame Kampagne für jeweils einen ständigen Sitz im Sicherheitsrat. Doch mittlerweile hat die Initiative an Schwung verloren.

Fraglich ist auch, ob die aktuelle Agenda der internationalen Politik den nötigen Spielraum für Reformdebatten bietet. Neben der explosiven Lage an der Elfenbeinküste „stehen viele Konflikte auf der Tagesordnung des Sicherheitsrates“, erläutert der deutsche UN-Botschafter Peter Wittig. „Von A wie Afghanistan bis Z wie Zypern, über die Balkankonflikte in Bosnien und im Kosovo, über den Nahen Osten, Iran und bis zu Nordkorea oder den vielen afrikanischen Konflikten im Sudan, Kongo, Somalia oder der West-Sahara – um nur einige zu nennen“, sagt Wittig. Deutschland will zur Lösung oder zumindest Beruhigung von Konflikten beitragen.

Ob bei dieser Gefechtslage genügend Zeit bleibt für eine substanzielle Reformdiskussion, ist zweifelhaft. „Wenn es international ruhiger zugeht, lässt es sich besser über einen Umbau des Sicherheitsrates debattieren“, gibt Experte Bosold zu bedenken. Die hektische Agenda spielt stattdessen den fünf ständigen Mitgliedern in die Hände, den USA, Russland, China, Frankreich und Großbritannien, „P 5“ genannt. Sie sind die großen Nutznießer eines Reformstillstandes. Trotz gelegentlicher Lippenbekenntnisse legen sich Amerikaner, Russen, Chinesen, Franzosen und Briten nicht wirklich für eine durchgreifende Reform des Sicherheitsrates ins Zeug. Im Gegenteil: Die Mitglieder des Machtkartells wachen eifersüchtig über ihre Privilegien. Vor allem wehren sie sich gegen eine Aufweichung ihres Vetorechts – jedes P-5-Land kann Beschlüsse des Rates verhindern. Zudem: Jedes P-5-Land muss eine reformbedingte Änderung der UN-Charta ratifizieren.

Die Blockade aber fügt dem Sicherheitsrat selbst Schaden zu. „Damit seine Resolutionen von allen Staaten respektiert und befolgt werden, muss er die notwendige Autorität und Legitimität haben“, heißt es aus dem Auswärtigen Amt in Berlin. „Dies setzt voraus, dass er repräsentativ ist.“ Genau diese Voraussetzung trifft nicht zu. Die herausgehobene Stellung der Amerikaner, Russen, Franzosen, Chinesen und Briten spiegelt die Machtverteilung im Jahr der UN-Gründung wieder: 1945.

Jan Dirk Herbermann

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