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Politik: Im portugiesischen Sintra wurde ein Stufenplan für die Krisentruppe der Union festgelegt - Eisiger Empfang für FPÖ-Verteidigungsminister

Tuchfühlung war fast unvermeidlich. Die Minister saßen in dem schmalen Salao Nobre des hochherrschaftlichen portugiesischen Landsitzes Penha Longa einfach zu eng aufeinander.

Tuchfühlung war fast unvermeidlich. Die Minister saßen in dem schmalen Salao Nobre des hochherrschaftlichen portugiesischen Landsitzes Penha Longa einfach zu eng aufeinander. Peinlich für Rudolf Scharping, dass die Sitzordnung es nun einmal so will, dass er neben seinem österreichischen Kollegen Herbert Scheibner Platz nehmen musste. Der deutsche Verteidigungsminister, der ohnehin oft so wirkt, als habe er einen Stock verschluckt, wirkt am Montag noch ein bischen steifer als sonst. Den Blick richtet er vor sich hin oder auf seine Papiere auf dem Konferenztisch. Direkt hinter ihm sitzen in der drangvollen Enge zwei seiner Generäle und schirmen ihn optisch etwas gegen die aufdringlichen Kameramänner ab, die durch die Fensterscheiben ihre Linsen auf das ungleiche Ministerpaar richten. Ihr Interesse am Treffen der 15 EU-Verteidigungsminister scheint sich auf die schlichte Frage zu reduzieren: Schütteln die anderen 14 Minister ihrem FPÖ-Kollegen zur Begrüßung nun die Hand oder nicht?

Sie tun es nicht. Geschickt hat der Österreicher die Situation vermieden, in der ihm jemand den Handschlag hätte verweigern können. Er sitzt mit seiner kleinen Delegation schon entspannt und guter Dinge am Tisch, als die anderen Minister am Montagmorgen einer nach dem anderen eintreffen und sich in dem hellen Konferenzsaal niederlassen. Man werde die Regeln der Höflichkeit wahren, aber auch nicht einfach still und leise zur Normalität zurückkehren, hatte Scharping vorher gesagt.

Vor allem der belgische Verteidigungsminister Andre Flahaut sorgt am Montag beim informellen EU-Rat in der Nähe von Sintra dafür, dass dies nicht geschieht. Gleich zu Beginn der Debatte steht er auf, und liest eine flammend-pathetische Erklärung ab, die der FPÖ-Minister eigentlich als Ohrfeige empfinden müsste: "Die FPÖ verdient es nicht, dass man sie nach ihren Handlungen beurteilt - sie ist schon disqualifiziert". Brüssel werde die bilateralen Militärkontakte mit Wien abbrechen. Da Belgien auch bisher so gut wie keine "bilateralen militärpolitischen Kontakte" mit Österreich hatte, erträgt der 37-jährige Scheibner die Drohung mit Fassung.

Mit Gelassenheit nimmt er es auch hin, dass sein deutscher Kollege neben ihm steif das nachbarliche Gespräch verweigert, sondern eisern schweigt. Scharpings Protest gegen Haider geht jedoch nicht so weit, dass er den Saal verlassen würde, als der Österreicher in der Ministerrunde das Wort ergreift. Auch alle anderen Minister bleiben am Konferenztisch - der EU-Ministerrat geht zur Tagesordnung über.

Tatsächlich stand die Planung einer selbständigen militärischen Fähigkeit, Krisen vor der eigenen Haustür zu bewältigen, im Mittelpunkt der Beratungen in dem zur Nobel-Herberge umgestalteten Landgut. Schon bei den EU-Gipfeltreffen in Köln und Helsinki im vergangenen Jahr hatten die 15 Staats- und Regierungschefs die Grundsatzbeschlüsse gefasst und die Ziele gesetzt: Europa wird künftig eigene militärische Strukturen aufbauen, um zur selbständigen Krisenbewältigung in der Lage zu sein.

Bis zum Jahr 2003, so lautet das konkrete Ziel, soll die EU jederzeit eine Eingreiftruppe von rund 60 000 Mann innerhalb von 60 Tagen für so genannte "Petersberg-Aufgaben" auf die Beine stellen können. Die künftige EU-Truppe soll dann in der Lage sein, auch ohne die Hilfe der Amerikaner und ohne Eingreifen der Nato mindestens ein Jahr lang humanitäre Hilfe militärisch absichern, wie in Bosnien und im Kosovo Friedenabkommen überwachen und notfalls den Frieden militärisch durchsetzen zu können. In Sintra dachten die 15 Verteidigungsminister darüber nach, in welchen Krisenfällen, bei welchem "Szenario" die Mobilisierung der europäischen Streitmacht nötig werden könnte und wer welche Truppen stellen kann. Bis Ende des Jahres wollen sich die 15 darüber einig sein und die europäischen militärischen Strukturen geschaffen haben, die zur eigenständig europäischen Krisenbewältigung benötigt werden.

Wir haben noch einiges zu tun. Wir müssen unsere Schwächen, die in der Kosovo- Krise zu Tage traten, überwinden", räumte Verteidigungsminister Scharping am Montag in Sintra ein. Die EU sei derzeit nicht in der Lage, eigene Operationen zu führen. Sie habe weder ausreichende Mittel zur Aufklärung noch zum Lufttransport, waren sich alle in Sintra einig. Dass der Aufbau der militärischen Fähigkeiten zur Krisenbewältigung auch zusätzliches Geld kosten wird, konnte am Montag auch Rudolf Scharping nicht leugnen. Der französische Verteidigungsminister jedenfalls setzte beim Treffen Maßstäbe: Jeder EU-Staat solle künftig 0,7 Prozent seines Bruttoinlandprodukts für Investitionen in die Sicherheit ausgeben - rund das Doppelte dessen, was die Bundesregierung derzeit im Haushalt dafür vorgesehen hat.

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