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Politik: Im Visier der Terrorfahnder

Eine Mehrheit der EU-Staaten will erreichen, dass Daten von Passagieren auch bei innereuropäischen Flügen gespeichert werden

Zur Terrorismusbekämpfung sollen auf Drängen Großbritanniens in Zukunft noch mehr Fluggastdaten gespeichert und ausgewertet werden. Vor dem EU-Innenministertreffen am kommenden Montag zeichnet sich ab, dass ein Änderungsvorschlag der Regierung in London unter den EU-Staaten mehrheitsfähig ist, wonach auch die Daten von Passagieren auf innereuropäischen Flügen gesammelt werden sollen. „Die Briten“, bestätigte ein deutscher EU-Diplomat dem Tagesspiegel, „stehen mit diesem Wunsch nicht allein.“ Ein EU-Diplomat eines anderen großen Mitgliedstaates wurde deutlicher: „Eine klare Mehrheit der Mitgliedstaaten hat ihre Unterstützung für das Sammeln von Daten auf innereuropäischen Flügen signalisiert.“ So geht es auch aus internen Dokumenten des Ministerrats hervor, die dem Tagesspiegel vorliegen.

Bisher leiten europäische Airlines entsprechende Auskünfte über Passagiere auf Transatlantikflügen – darunter Name, Anschrift und Kreditkartennummer – an die US-Sicherheitsbehörden weiter. Um selbst Herr des Verfahrens zu werden und für mehr Sicherheit auch in Europa zu sorgen, hatte die EU-Innenkommissarin Cecilia Malmström Anfang Februar einen Gesetzesvorschlag für ein eigenes EU-Passagierdatensammelsystem unterbreitet. Obwohl dieser Vorschlag „nur“ Passagiere internationaler Flüge im Visier hatte, löste der Vorstoß bereits vernichtende Kritik aus. So schrieb der europäische Datenschutzbeauftragte Peter Hustinx vergangene Woche in seiner Stellungnahme, der Gesetzesvorschlag erfülle „nicht die Kriterien der Notwendigkeit und der Verhältnismäßigkeit“. Es sei „zweifelhaft“, ob es dafür eine sichere Rechtsbasis gebe, lautete das Urteil des Niederländers.

Geplant ist, dass die Datensätze den Sicherheitsbehörden 30 Tage lang uneingeschränkt zur Verfügung stehen und auf bestimmte Merkmale hin untersucht werden können. Anschließend sollen sie weitere fünf Jahre teilweise anonymisiert gespeichert werden, wobei die Sicherheitsbehörden auf Anfrage erneut Zugriff bekommen würden. Der Grünen-Europaabgeordnete Jan-Philipp Albrecht verweist darauf, dass es hierbei sowohl um eine Rasterfahndung als auch eine Vorratsdatenspeicherung geht – zwei ermittlungstechnische Praktiken, die das Bundesverfassungsgericht zumindest in Teilen als verfassungswidrig eingestuft hat. Ähnlich haben auch schon die obersten Rechtsinstanzen in Tschechien und Rumänien geurteilt.

Der Grünen-Abgeordnete Albrecht rechnet damit, dass sich im Europaparlament eine klare Mehrheit gegen die flächendeckende Erfassung der Fluggastdaten formieren wird. Zudem verweist er auf die hohen Kosten des Verfahrens. So bezifferte eine Vertreterin der Lufthansa vergangene Woche bei einer Anhörung im Europaparlament die monatlichen Mehrkosten für ihr Unternehmen mit 153 000 Euro – selbst wenn nur die Daten internationaler Passagiere erfasst würden, die der europäischen Statistikbehörde Eurostat zufolge 36 Prozent der Reisenden ausmachen.

Nun könnten auch alle übrigen Fluggäste ins Visier der Fahnder geraten. An der Seite der Bundesregierung, die dem deutschen Diplomaten zufolge bei dem Thema „von der Tendenz her zur Vorsicht“ rät, stehen in den Brüsseler Beratungen nur Slowenien, Luxemburg und Malta. Deren Bedenken, dass eine noch ausgedehntere Datensammelaktion „möglicherweise nicht mit dem Schengener Grenzkodex und der Freizügigkeit vereinbar ist“, wie es in dem internen Ratsdokument heißt, kontert die ungarische Ratspräsidentschaft: „Der Vorsitz ist der Ansicht, dass eine mit ausreichenden Schutzbestimmungen versehene Einbeziehung gezielter Flüge innerhalb der EU bei Einhaltung der EU-Rechtsvorschriften über die Freizügigkeit erreicht werden kann.“ Die italienische Regierung will gar noch darüber hinausgehen und die Daten auch von Bahn- und Schiffsreisenden nach dieser Methode speichern und auswerten lassen.

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