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Politik: Imame auf Holländisch

An der Freien Universität in Amsterdam werden seit diesem Semester islamische Geistliche ausgebildet

Amsterdam - In einem abgedunkelten Raum sitzen mehrere Studenten auf Klappstühlen und schauen zur Tafel. Ein 34 Jahre alter Marokkaner, der seinen Namen nicht nennen will, versucht gerade den Gottesbegriff der Christen zu erklären. Es ist das erste Mal, dass er sich mit der christlichen Religion beschäftigt und wenn er die Barmherzigkeit Gottes beschreibt, kommt er immer wieder ins Stocken. „Es ist sehr schwer für mich, die christliche Religion zu erklären. Aber es ist auch sehr spannend“, sagt er.

Er ist einer der Studenten, die an der Freien Universität in Amsterdam „Islamische Theologie“ studieren. Die theologische Fakultät startete im September diese so genannte Imam-Ausbildung. Imame sind die geistlichen Oberhäupter der islamischen Gemeinden. Sie predigen in den Moscheen und leisten seelsorgerischen Beistand.

„Wir bilden hier keine Prediger aus. Unsere Absolventen werden vorrangig an Universitäten unterrichten oder in Krankenhäusern und Gefängnissen arbeiten“, sagt Professor Henk Vroom, verantwortlich für den neuen Studiengang. „Wir möchten, dass sie ihren eigenen Glauben in der niederländischen Gesellschaft gestalten.“

Grund für dieses Angebot ist, dass die niederländische Regierung erreichen will, dass ab 2008 keine Imame mehr aus arabischen Ländern einreisen. Die liberale Integrationsministerin Rita Verdonk fürchtet eine Radikalisierung der Moslems und um die „Sicherheit" ihres Landes. In der Vergangenheit wurden viele Imame ausgewiesen, weil ihre Ansichten der Demokratie widersprachen.

Der Amsterdamer Studiengang ist Teil eines Regierungsprogramms, das Verdonk im Sommer vorstellte. Nach langen Diskussionen mit muslimischen Organisationen gab der Mord an dem islamkritischen Filmemacher Theo van Gogh, den ein Muslim im vergangenen Dezember umgebracht hatte, den Ausschlag, dass Regierung und Muslime gemeinsam nach einem Rezept zur erfolgreichen Integration suchten. Nach dem neuen Programm müssen alle Immigranten einen Einbürgerungskurs absolvieren, in dem sie die Sprache und die Kultur ihres neuen Heimatlandes kennen lernen. Nur wer eine Prüfung besteht, darf bleiben.

Der Kampf gegen die Radikalisierung der Jugendlichen ist besonderer Schwerpunkt – dazu gehört auch die Imam-Ausbildung. Von über 180 Bewerbern wurden etwa 40 zugelassen. Sie kommen aus Marokko, Ägypten oder der Türkei, haben aber fast alle die niederländische Staatsbürgerschaft. Drei muslimische Dozenten unterrichten islamisches Recht, Religionsgeschichte und den Inhalt des Korans. Außerdem lernen die Studenten Religionsphilosophie und die Grundlagen des Christentums und des Buddhismus. Einige muslimische Geistliche seien skeptisch, ob eine nicht religiöse Universität diese Ausbildung leisten kann, sagt Henk Vroom. Aber es gebe „gute Kontakte“ zu den muslimischen Organisationen. Ein 25-jähriger Student sagt: „Mit der Ausbildung können wir das Christentum besser verstehen und unseren Glauben besser verteidigen. Das macht uns alle stärker.“

Ruth Reichstein

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