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Im BLICK: Das Prinzip Auslese

Albrecht Meier über die Probleme der Flüchtlings-Neuansiedlung in der EU. Viele können gar keinen Antrag auf Asyl stellen.

Herzlich willkommen – so stand es im März auf einem Plakat des Flüchtlingsrats, das auf dem Flughafen Hannover-Langenhagen 118 Flüchtlinge aus dem Irak begrüßte. Sie gehören zu den 2500 Irakern, die nicht mehr in ihr Land zurückkehren können und deshalb dauerhaft in Deutschland eine neue Heimat finden sollen. „Resettlement“ nennt sich das Verfahren des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR, also Neuansiedlung.

Als der französische EU-Kommissar Jacques Barrot diese Woche seine Strategie vorstellte, mit der er die Neuansiedlung besonders verfolgter Flüchtlinge aus dem „Resettlement“-Verfahren in Europa voranbringen will, hat er auch daran gedacht, dass Deutschland nach langem Zögern bei dem Programm mitmacht. Eine Lehre aus der Nazizeit, eine menschliche Geste – es lassen sich viele Gründe finden, Gestrandeten aus Somalia, Irak oder Birma, die oft in elenden Flüchtlingslagern leben, in der EU ein zweites Zuhause zu geben. Doch das „Resettlement“-Verfahren ist eine janusköpfige Angelegenheit. Einige wenige Flüchtlinge werden in dem Verfahren ausgewählt, während die große Masse derer, die nach Europa wollen, kein Asyl erhält – das ist die Befürchtung einiger Experten. Nach der Auffassung des UNHCR darf das Neuansiedlungs-Programm nicht dazu führen, dass das Asylrecht insgesamt eingeschränkt wird.

Ohnehin hat nicht jeder, der in der EU Asyl beantragen will, die Chance dazu. Das hat mehrere Gründe: Erstens gibt es in der EU keine einheitliche Asylpolitik, sondern viele unterschiedliche nationale Lösungen. Bekanntestes Beispiel: Italiens Ministerpräsident Silvio Berlusconi, der Flüchtlinge zurück nach Libyen transportieren lässt.

Zweitens: In der Gegenwart ist es nicht immer einfach, dem völkerrechtlichen Flüchtlingsschutz Geltung zu verschaffen. Die Genfer Flüchtlingskonvention von 1951 mit dem Zusatzprotokoll von 1967 – nach den Worten von Steffen Angenendt von der Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik das „Rückgrat“ des Flüchtlingsschutzes – passt gelegentlich nicht mehr zu den Besonderheiten heutiger Fluchtbewegungen. Die Genfer Konvention stellt das Individuum und das Einzelschicksal des Verfolgten in den Mittelpunkt. Wer Asyl beantragt, muss auch individuelle Fluchtgründe vorweisen. Bei den großen Fluchtbewegungen der vergangenen Jahrzehnte war dies für die Betroffenen oft unmöglich.

Die dritte Ursache für den drastischen Rückgang der Asylanträge, die die Behörden in den EU-Staaten seit Mitte der neunziger Jahre verzeichnen: die inzwischen in Deutschland und anderen EU- Staaten eingeführte und bis heute umstrittene Regelung, wonach Flüchtlinge, die über einen sicheren Drittstaat einreisen, das Recht auf Asyl wegen politischer Verfolgung nicht geltend machen können. Auf dem Höhepunkt des Bürgerkriegs in Bosnien wurden allein in Deutschland 1992 noch mehr als 400 000 Asylanträge gestellt. Im vergangenen Jahr waren es in der gesamten EU nur noch 238 000. In Nordamerika wurden – auch wegen seiner geografischen Lage – im vergangenen Jahr noch weniger Asylanträge gezählt: nur 86 000.

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