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Im BLICK: Ironie der Geschichte

Brügge – die Stadt liegt in Belgien, ist aber untrennbar mit der Geschichte der britischen Konservativen verbunden. Im September 1988 sagte die damalige britische Premierministerin Margaret Thatcher dort einen viel zitierten Satz, der später eine Art Glaubensbekenntnis für die Euroskeptiker in ihrer Partei werden sollte: „Wir haben in Großbritannien nicht die Grenzen des Staates erfolgreich zurückgedrängt, um sie auf europäischer Ebene wieder ausgedehnt zu sehen.

Brügge – die Stadt liegt in Belgien, ist aber untrennbar mit der Geschichte der britischen Konservativen verbunden. Im September 1988 sagte die damalige britische Premierministerin Margaret Thatcher dort einen viel zitierten Satz, der später eine Art Glaubensbekenntnis für die Euroskeptiker in ihrer Partei werden sollte: „Wir haben in Großbritannien nicht die Grenzen des Staates erfolgreich zurückgedrängt, um sie auf europäischer Ebene wieder ausgedehnt zu sehen.“ Der Satz galt als eine Kampfansage an einen „europäischen Superstaat“ mit Sitz in Brüssel.

Heute, 21 Jahre später, wirkt die Thatcher-Rede in Brügge immer noch nach. Nicht unbedingt wegen ihres Inhalts – der Streit um den „europäischen Superstaat“ ist schließlich eine Schlacht von gestern, denn es gibt diesen Superstaat nicht und wird ihn auch nicht geben. „Brügge“ hat bei den britischen Konservativen, die sich vergangene Woche zum Parteitag in Manchester versammelten, trotzdem immer noch einen ganz besonderen Klang. „Brügge“ ist bei ihnen eine Chiffre für die nationale Selbstbehauptung in der EU.

Und so wie die Tories mit dem „Brügge“-Schlachtruf bis heute Wähler gegen eine angeblich übermächtige EU mobilisieren können, so gibt es umgekehrt auf dem Kontinent ein anderes Zerrbild: Das von den perfiden Briten, die am liebsten Sand ins Getriebe der EU streuen. Auch dieses Klischee ist in der zurückliegenden Woche wieder wirkmächtig geworden. Denn schließlich geht es nach dem irischen „Ja“ zum Lissabon-Vertrag jetzt darum, einige neue Spitzenposten in der EU zu besetzen, unter anderem das Amt des EU-Präsidenten. Als Favorit gilt hier der britische Ex-Premier Tony Blair. Und nun lautet die Frage der zahlreichen Blair-Gegner: Kann überhaupt ein Politiker aus einem europäischen Mitgliedstaat EU-Präsident werden, das den Euro nicht eingeführt hat und auch nicht zum Schengen-Raum gehört?

Trotz solcher Einwände sieht es mit der Europa-Treue der Briten grundsätzlich erst einmal gar nicht so schlecht aus. Zumindest der scheidende EU-Industriekommissar Günter Verheugen zog am Donnerstag bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik in Berlin eine positive Bilanz: „Auf einen konnte ich mich immer verlassen – das war Tony Blair.“

Unterm Strich lässt sich die britische Haltung zu Europa so zusammenfassen: London steht treu zu einmal gefassten EU-Beschlüssen, macht aber längst nicht überall in der EU mit. Wenn britische Politiker – sowohl auf Seiten der Labour Party als auch bei den Konservativen – etwas fürchten, dann ist es nämlich die in Teilen immer noch europafeindliche Presse auf der Insel. Tony Blair machte da keine Ausnahme. Unvergessen ist seine Kehrtwende im Jahr 2004, als er unter dem Druck der EU-Skeptiker überraschend ein Referendum zur damaligen europäischen Verfassung ankündigte. Die Verfassung scheiterte bekanntlich, aber ihr Nachfolger, der Lissabon-Vertrag, lebt. Es wäre schon eine besondere Ironie der Geschichte, wenn nun ausgerechnet Blair zum ersten EU-Präsidenten würde – dank des Lissabon-Vertrages.

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