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Im BLICK: Maschinen, seid würdig!

Armin Lehmann über Nacktscanner und Datenüberflutungen.

Frank Schirrmacher wird sich freuen. Die letzte Woche hat gezeigt, dass sich Mensch und Computer immer mehr angleichen. Das ist eine der Thesen, die der FAZ-Herausgeber in seinem Buch „Payback“ aufstellt. In der Debatte um die Nackt- oder Körperscanner wurde den Maschinen quasi das absolut Menschlichste abverlangt: Sie sollen nämlich, wurde von Politikern gefordert, die Menschenwürde und die Intimsphäre des Menschen wahren. Erst dann, versprechen etwa Innenminister und Justizministerin, werde man sie auch einsetzen. Hoffentlich hören die Maschinen auf sie!

Doch nicht nur die Sprache dieser Debatte um den Einsatz der Computer am Flughafen erscheint mechanisch, auch der Austausch der Argumente. Die Gegner sehen Intimsphäre und Menschenwürde verletzt. Das ist ein interessantes Argument in einer Welt, die zunehmend von privatdatenverliebten Facebook-Nutzern, lustigen Youtube-Videoherstellern und eifrige Twitterern erobert wird – was nichts Schlechtes bedeuten muss. Sicherlich sind diejenigen unter ihnen, die gerne auch mal private Sexspiele ins Netz stellen, eine Minderheit. Aber es ist offenkundig, dass der Begriff der Intimsphäre sich in dieser wachsenden Usergeneration wandelt. Welche Rolle spielt Scham noch im Alltag, welche Scham meinen wir? Ist die Menschenwürde verletzt, wenn man für den Eintritt ins Fußballstadion abgetastet wird? Der Einwand, alles, was aktiv ins Netz gestellt werde, geschehe ja freiwillig und nicht unter Zwang wie am Flughafen, ist richtig – aber für die Beurteilung der angeblich verletzten Intimsphäre egal. Man kann den Scanner aus vielen Gründen ablehnen, vielleicht ist der Verweis auf die geschundene Menschenwürde nur der unangebrachteste.

Die Argumente der Befürworter sind nicht weniger irritierend. Es gehe darum, sagen sie, Terror und Massenmord zu verhindern. Da müsse man nun mal alles tun. Vielleicht liegt genau hier das Problem: Indem man alles tun will, macht man auch viel Unsinniges. Der Nacktscanner ist letztlich nur ein x-beliebiges weiteres Instrument der möglichen Gefahrenabwehr – aber selbstverständlich ohne Gewähr, wie alle anderen Instrumente auch. Die Debatte um Sicherheit tobt hier deshalb auf einem Nebenkriegsschauplatz.

Ist es nicht menschenunwürdig für ein Kontrollorgan des Staates, welches auch immer – Polizei, Zoll, Geheimdienste –, aus Listen mit Abertausenden von Namen und etlichen Verdächtigungsgraden immer genau den wirklich Gefährlichen herauspicken zu müssen? Die Sammlungswut des Staates – die wir jetzt auch bei der aktuell eingeführten elektronischen Speicherung von Arbeitgeberdaten erleben – führt nicht zu mehr Sicherheit: Sie wird selbst zum Risiko. Die Justizministerin hat ihr Urteil gefällt. Die Tatsache, dass der Attentäter das Flugzeug überhaupt besteigen konnte, sagt Leutheusser-Schnarrenberger, zeige eindrucksvoll, „dass die wahllose Anhäufung von millionenfachen Daten offensichtlich keinen Zusatz an Sicherheit bedeutet“. Überraschend ist allerdings, dass die Vorkämpferin der FDP für Bürgerrechte noch kein unwiderrufliches Nein gegen den Scanner ausgesprochen hat. Wäre sonst die Intimsphäre der Koalition in Gefahr?

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