zum Hauptinhalt

Im BLICK: Mit Kopftuch nach Karlsruhe

Baden-Württembergs neue Integrationsministerin Bilkay Öney scheint die Grenzen im Stellungskrieg gerade neu ziehen zu wollen: Die SPD-Politikerin will die zwölf Jahre alte Optionsregelung kippen, die hier geborene Kinder ausländischer Eltern zwingt, sich ab 18 Jahren für eine einzige Staatsbürgerschaft zu entscheiden – seinerzeit Ergebnis eines Kompromisses zwischen der rotgrünen Regierung Schröder und der Union. Und auch dem Gesinnungstest möchte Öney den Garaus machen.

Baden-Württembergs neue Integrationsministerin Bilkay Öney scheint die Grenzen im Stellungskrieg gerade neu ziehen zu wollen: Die SPD-Politikerin will die zwölf Jahre alte Optionsregelung kippen, die hier geborene Kinder ausländischer Eltern zwingt, sich ab 18 Jahren für eine einzige Staatsbürgerschaft zu entscheiden – seinerzeit Ergebnis eines Kompromisses zwischen der rotgrünen Regierung Schröder und der Union. Und auch dem Gesinnungstest möchte Öney den Garaus machen. Mit ihm glaubte die Südwest-CDU vor fünf Jahren, Terroristen vor der Einbürgerung aussortieren zu können. Bei einem weiteren Thema mit Symbolkraft aber, dem Kopftuchgesetz, gibt Öney sich zugeknöpft: „Ich sehe derzeit keinen Anlass, da etwas zu verändern“, sagte die frühere Berliner Abgeordnete dem Tagesspiegel. „Es gibt keinen Streitfall.“ Zudem sei sie für weltanschauliche Neutralität der Lehrkräfte in den Schulen.

Die ist allerdings in den meisten der acht Ländergesetze zum Kopftuch gar nicht gewahrt. Und auch Baden-Württemberg, das das Kopftuch als erstes Land verbot, erklärt etwa den Habit der Nonnen als unschädlich für die weltanschauliche  Neutralität. Die „Darstellung christlicher und abendländischer Bildungs- und Kulturwerte oder Traditionen“, heißt es seit April 2004 im Landesschulgesetz, seien nicht geeignet, den Schulfrieden zu stören. Auch im bayerischen Gesetz, das im November 2004 folgte, ist die „Darstellung christlicher und abendländischer Bildungs- und Kulturwerte oder Traditionen“ ausdrücklich geschützt. Gleiches gilt in Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Hessen und im Saarland. Nur Bremen und Berlin folgten in ihren Gesetzen dem Auftrag des Bundesverfassungsgerichts von 2003 und verboten auffällige Zeichen jedweder Religion im ganzen öffentlichen Dienst.

Die Mehrheiten sind inzwischen in einigen Ländern andere, aber auch die rot- grüne Regierung in Düsseldorf ziert sich in puncto Kopftuch: Die grüne Schulministerin Sylvia Löhrmann erklärte kürzlich, „konkrete Gesetzesinitiativen“ seien derzeit nicht geplant. Man warte, was die Karlsruher Richter sagen, die von etlichen Lehrerinnen erneut angerufen wurden. Bevor Löhrmann Ministerin wurde, war sie energischer; sie nannte das Kopftuchverbot diskriminierend.

Damit ist sie in prominenter Gesellschaft: Vor einem Jahr empfahl der UN- Sonderberichterstatter über Rassismus Deutschland exakt deswegen, die Kopftuchverbote zu überdenken. Wobei die Diskriminierung nicht nur eine der Religion, sondern auch des Geschlechts sein dürfte: Sie richtet sich gegen Frauen im Schuldienst, oft genau die Bildungsaufsteigerinnen, von denen die Integrationspolitik sich so viel verspricht.

Der Erlanger Jurist und Islamwissenschaftler Mathias Rohe machte vor zwei Jahren darauf aufmerksam, dass Karlsruhe wohl noch einmal werde sprechen müssen. „Muss eine muslimische Religionslehrerin etwa auch ihr Kopftuch ablegen?“ Für den Fall haben einige Ländergesetze zwar Vorsorge getroffen – aber wie sieht die Sache im Lehrerzimmer aus oder in einer Vertretungsstunde? 

Wieder einmal muss Karlsruhe ran.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false