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Im BLICK: Um Betten bitten

Welch schöne Botschaft zum Ausklang des Jahres: Die Regierenden gönnen auch dem Kassenpatienten ohne Zusatzversicherung ein bisschen Qualitätsverbesserung. Künftig soll er im Krankenhaus nicht mehr in Drei- oder Vierbettsäle gepfercht, sondern nur noch maximal einem Bettnachbarn beigesellt werden.

Welch schöne Botschaft zum Ausklang des Jahres: Die Regierenden gönnen auch dem Kassenpatienten ohne Zusatzversicherung ein bisschen Qualitätsverbesserung. Künftig soll er im Krankenhaus nicht mehr in Drei- oder Vierbettsäle gepfercht, sondern nur noch maximal einem Bettnachbarn beigesellt werden. Zweibettzimmer für alle – das hören wir gerne, angesichts der gesundheitspolitischen Nettigkeiten, die uns zum Jahreswechsel sonst so beschert werden: steigende Kassenbeiträge, Pflegenotstand mit immer weniger ausgebrannten Fachkräften, Ärztemangel trotz immer mehr Medizinern, die allerdings partout nicht aufs Land und am liebsten gleich gar keine gesetzlich Versicherten mehr behandeln möchten …

Dafür nun also wenigstens nach der OP ein ruhiges Plätzchen im Klinikum? Inhaltlich sollte man den Vorstoß keineswegs, wie die Opposition, als bloße und billige „Bettenkosmetik“ abtun. Eigenartig ist vielmehr, dass Patienten- und Verbraucherschützer die Unterbringung der Kassenpatienten in den Kliniken bisher so klaglos hingenommen haben. Ob ein Kranker dem Trubel und TV-Geflimmer eines Vielbettzimmers ausgeliefert wird oder nicht, ist ein wesentlicher Gesundungsfaktor. Dass die Sache mit proppenvollen Krankensälen erholungstechnisch überhaupt einigermaßen funktioniert, ist ja vor allem der großzügigen Gabe von Schlaf- und Beruhigungsmitteln zu danken. Aber was ist mit der Würde des Patienten? Wer lässt sich gern im eigenen Siechtum von wildfremden Mitpatienten und deren Angehörigen bestaunen? Wer fühlt sich wohl dabei, wenn ihm vor aller Augen die Spritze in den Allerwertesten gerammt oder die Bettpfanne entleert wird?

Was die Schamgrenze betrifft, scheint in vielen hochmodernen Kliniken (und Pflegeheimen!) die Zeit stehen geblieben zu sein. Käme heutzutage noch ein Hotelier auf die Idee, Einzelreisende in Mehrbettzimmer mit anderen zu stecken wie früher üblich? Und müsste nicht der Zustand des Krank- und Bedürftigseins weit stärker Anlass und Argument zur Gewährung eines individuellen Schutzraums sein als touristischer Komfort?

Klar, das würde kosten. Und im Falle des Kassenpatienten müsste die Solidargemeinschaft den Luxus bezahlen, der keiner ist. Das allein ist schon Garantie dafür, dass sich kaum etwas ändern wird. Hinzu kommt: Außer den Patienten hat keiner Interesse an einer Zweibett-Vorschrift. Die Pfleger nicht, weil sie dann noch mehr zu laufen hätten. Die Kliniken nicht, weil sie ihre Zweibettzimmer dann nicht mehr extra in Rechnung stellen könnten. Und die Kassen nicht, weil bei ihnen dann keiner mehr teure Zusatzpolicen fürs Krankenhaus abschließen würde. Allein für Chefarztbehandlung, die manchem Patienten, wenn sie denn stattfindet, oft gar nicht mal zum Segen gereicht, greifen die wenigsten tiefer in die Tasche.

Unsere Regierenden wissen das natürlich. Und sie wissen auch, dass sie diesbezüglich herzlich wenig anordnen können. Klinikplanung ist Ländersache. Der wohlklingende Vorstoß entpuppt sich als bequeme, da vermutlich folgenlose Bekenntnispolitik. Wir hätten, so die Botschaft, ja gerne auch mal was für Kassenpatienten getan. Doch leider: Man lässt uns nicht.

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