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Politik: Immer mehr Länder stimmen über EU ab

Auch Chirac kündigt Referendum für 2005 an / Schäuble: Das ist kein Beispiel für Deutschland

Berlin - Die Franzosen sollen 2005 über die EU-Verfassung abstimmen. Frankreichs Präsident Jacques Chirac kündigte am Mittwoch bei seinem traditionellen Fernsehauftritt zum Nationalfeiertag überraschend ein entsprechendes Referendum an. Chirac empfahl den Franzosen, die Verfassung bei der Abstimmung in der zweiten Hälfte des kommenden Jahres anzunehmen. Frankreich ist damit das zehnte EU-Mitglied, das ein Referendum zur Verfassung ankündigt. Scheitert die Ratifizierung in einem EU-Mitgliedsland, gilt auch das gesamte Vertragswerk als hinfällig. Die Bundesregierung hält indes daran fest, kein Referendum über die Verfassung abzuhalten, sondern Bundestag und Bundesrat abstimmen zu lassen.

Mit der europäischen Verfassung sollen Entscheidungen in der größer gewordenen EU erleichtert werden, indem Blockade-Möglichkeiten eingeschränkt werden. In entscheidenden Bereichen wie der Außen- und Sicherheitspolitik behalten die EU-Mitglieder aber ihr Veto.

Der britische Regierungschef Tony Blair hatte bereits im April ein Referendum über die Verfassung angekündigt. Damit wuchs der politische Druck auf Frankreichs Staatschef, ebenfalls eine Volksabstimmung zu veranlassen. Bisher sind in zehn EU-Staaten Referenden über die europäische Verfassung vorgesehen – in Frankreich, Portugal, Spanien, Irland, Großbritannien, Dänemark, den Niederlanden, Belgien, Luxemburg und Tschechien. Die Verfassung muss in allen 25 Mitgliedstaaten per Parlamentsbeschluss oder zusätzlich in einem Referendum gebilligt werden, damit sie frühestens im Jahr 2007 in Kraft treten kann.

Unionsfraktionsvize Wolfgang Schäuble, der sich vergangene Woche noch zu Gesprächen in Paris aufhielt, reagierte auf Chiracs Ankündigung mit den Worten: „Oh là là, das ging aber schnell.“ Die Franzosen hätten schon zahlreiche Referenden abgehalten. Er sei „zuversichtlich, dass sie eine Mehrheit zustande bekommen“, sagte Schäuble dem Tagesspiegel weiter. Für Deutschland ändere sich wenig, erklärte er: „Wir hatten auch beim Euro kein Referendum. Wir müssen dann entsprechend dem Maastricht-Urteil des Bundesverfassungsgerichts eine Volksabstimmung machen, wenn Teile staatlicher Souveränität auf europäische Institutionen übertragen werden. So weit sind wir noch nicht.“ Die Veränderungen durch den Verfassungsvertrag seien „noch nicht von der Qualität“.

Ob die Franzosen die Verfassung annehmen, ist noch keineswegs sicher. Nach einer Ende April veröffentlichten Umfrage sagten 57 Prozent der Befragten, sie würden für die Verfassung stimmen. Chirac sagte am Mittwoch, er hoffe, dass die Politik die Debatte über den Vertragstext „nicht vergiftet“. Die Haltung von Frankreichs oppositionellen Sozialisten zur Verfassung ist derzeit noch unklar. Dennoch rechnet der Grünen-Fraktionschef im Europaparlament, Daniel Cohn-Bendit, nicht mit einem negativen Ausgang des Referendums. „Ich glaube nicht, dass die Sozialisten aus Lust an der Opposition Chirac im Regen stehen lassen werden“, sagte Cohn-Bendit dem Tagesspiegel.

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