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Politik: In aussichtsloser Mission

Rice überzeugt Ankara nicht vom Verzicht auf Einmarsch in Irak / US-General kritisiert Washington

Condoleezza Rice hatte einen schweren Stand. Als die amerikanische Außenministerin am Freitag nach Gesprächen mit der türkischen Führung in Ankara vor die Presse trat, war ihr die Anspannung deutlich anzusehen. Auch das steinerne Gesicht des türkischen Amtskollegen Ali Babacan neben ihr sprach Bände. Rice hatte in ihren Treffen mit Babacan und Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan offensichtlich nichts auf den Tisch gelegt, was die Gefahr einer türkischen Militärintervention im Nordirak mit einem Schlag entschärft hätte. Vor den Journalisten sprach Rice davon, dass die im Nordirak verschanzten Kurdenrebellen von der PKK der „gemeinsame Feind“ von Türken und Amerikanern seien. Doch das dürfte nicht reichen, um einen türkischen Militäreinsatz zu verhindern. „Wir sind an einem Punkt, an dem Worte nichts mehr bringen, an dem gehandelt werden muss“, sagte Babacan.

Mehr als 100 000 türkische Soldaten stehen an der Grenze zum Irak bereit, um die PKK-Stützpunkte in den nordirakischen Bergen anzugreifen. Die USA wollen eine großflächige Invasion unter allen Umständen verhindern. Auf dem Weg in die Türkei hatte Rice ihre Gastgeber von Aktionen abgeraten, „die den Nordirak destabilisieren könnten“. Im Irak hat bereits eine Fluchtwelle von Menschen aus Dörfern begonnen, die im potenziellen Kampfgebiet liegen.

Ankara fordert von den USA rasche und konkrete Maßnahmen, wenn eine Militäraktion noch abgewendet werden soll. Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan will am Montag in Washington mit US-Präsident Bush über das Thema sprechen – danach will die Türkei die Entscheidung für oder gegen einen Einmarsch fällen. Auch Rice bekannte sich zu der Notwendigkeit einer „wirksamen Strategie“ gegen die PKK. Wie die aussehen könnte, sagte sie aber nicht. Nach Presseberichten haben die USA der Türkei in Aussicht gestellt, sich um die Festnahme hoher PKK-Funktionäre im Irak zu bemühen und die Geldquellen der Kurdenrebellen trockenzulegen. Irakischen Angaben zufolge erwägt Washington zudem eine bessere Sicherung der Grenze zwischen dem Irak und der Türkei, damit es der PKK erschwert wird, ihre Kämpfer in die Türkei zu schicken. Auch geht aus Äußerungen der US-Regierung hervor, dass Washington zeitlich und räumlich eng begrenzte Vorstöße der Türkei in den Nordirak akzeptieren könnte. Bei Rice’ Besuch in Ankara gab es dazu aber keine offiziellen Stellungnahmen.

In der Frage, wie das PKK-Problem angegangen werden sollte, liegen die USA und der Nato-Partner Türkei noch weit auseinander. So möchte Rice einen im vergangenen Jahr eingerichteten Krisenmechanismus von Amerikanern, Türken und Irakern wiederbeleben. Babacan sagte dagegen, das Dreiermodell habe nichts gebracht. Der US-Vertreter darin, Ex-General Joseph Ralston, war kürzlich frustriert zurückgetreten. Ralston warf am Freitag seiner eigenen Regierung vor, sie habe Zusagen an die Türkei in Sachen PKK nicht eingehalten.

Vor seinem Treffen mit Rice am Freitag hatte Erdogan betont, er hoffe, dass es keine Militäraktion seines Landes geben müsse. Erdogan steht unter hohem innenpolitischen Druck, den Einmarschbefehl zu erteilen. In Ankara und Istanbul fanden Protestdemonstrationen gegen den Rice-Besuch statt. In Deutschland haben türkische und kurdische Gruppen für das Wochenende wieder massive Demonstrationen angekündigt.

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