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Politik: „In der EU-Kommission gibt es einige Fehlgriffe“

Der Grünen-Europaabgeordnete Cem Özdemir über die Anhörung von Barrosos Mannschaft

Das Europaparlament wird am 27. Oktober sein Votum über die zukünftige EUKommission unter José Manuel Barroso abgeben. Die EU-Abgeordneten befragten in den vergangenen zwei Wochen die Kommissare. Seinen Eindruck von diesen Anhörungen schildert der neue Europaabgeordnete der Grünen, Cem Özdemir:

Haben Sie die Gelegenheit genutzt, die künftigen Kommissare kennen zu lernen?

Die beiden Kommissare, mit denen ich als Mitglied des Auswärtigen Ausschusses in den kommenden fünf Jahren zu tun haben werde, waren für mich natürlich von besonderem Interesse. Also habe ich mir bei den Anhörungen der Kommissarin für Außenbeziehungen, Ferrero-Waldner, und dem neuen Erweiterungs-Kommissar, Olli Rehn, einen Eindruck verschafft. Als stellvertretendes Mitglied im Ausschuss für Innen- und Justiz war natürlich die Anhörung von Rocco Buttiglione auch sehr wichtig. Es war ausgesprochen aufschlussreich, was die neuen Kommissionsmitglieder über ihre Agenda zu sagen hatten, als was für Persönlichkeiten sie sich präsentierten. Die meisten Abgeordneten – ich übrigens auch – haben offensiv von ihrem Fragerecht Gebrauch gemacht, da bekommt man schon einiges heraus.

Einige Kommissare stießen auf Kritik. Wer macht Ihnen die meisten Sorgen?

Da sieht man, wie wichtig diese Anhörungen sind. Was etwa Buttiglione, den designierten Justizkommissar, angeht: Er hat alle Erwartungen noch negativ übertroffen. Für mich ist ein Kommissar schwerlich hinnehmbar, der Homosexualität für moralisch verwerflich hält, der die Rolle der Frau in der Gesellschaft als Ehefrau und Mutter definiert, ganz zu schweigen von seinen Ansichten zur europäischen Asyl- und Einwanderungspolitik. Für die Grünen ist klar, dass wir verhindern wollen, dass jemand wie er künftig die Justiz- und Innenpolitik der EU bestimmt. Deshalb fordern wir seinen Rückzug. Aber auch andere designierte Kommissionsmitglieder haben große Probleme, was ihre persönliche Integrität oder Kompetenz angeht.

Hat Barroso die Ressorts falsch verteilt?

Barroso muss mit dem Personal arbeiten, das ihm von den Mitgliedstaaten vorgeschlagen wurde. Der schwarze Peter liegt also bei den nationalen Regierungen. Vor dem Hintergrund werden einige Fehlgriffe erklärbar, aber auch gute Besetzungen. Margot Wallström zum Beispiel wird als Umweltkommissarin schmerzlich vermisst werden. Aber sie ist ein großes Kommunikationstalent. Sie wird ihre neue Aufgabe, die Öffentlichkeitsarbeit der Kommission, wohl gut machen. Wenn Barroso aber den Posten des Energiekommissars mit einem Atomkraftfreund besetzt, dann ist das eine fatale politische Entscheidung.

Bleibt die Abstimmung des Europaparlamentes nicht eine Farce, wenn über die Kommission als Ganzes abgestimmt werden muss?

Nein, denn das Parlament hat das Recht, die Kommission abzulehnen. Das bedeutet, dass die Fraktionen gegenüber Barroso viel Druck aufbauen und den Rückzug einzelner Kommissare erwirken können, damit das Gesamtkollegium zustimmungsfähig bleibt.

— Das Gespräch führte Mariele Schulze Berndt.

Cem Özdemir (38) wurde im vergangenen Juni als Grünen-Abgeordneter ins Europaparlament gewählt. Der gebürtige Schwabe hatte seine Partei bereits im Bundestag vertreten.

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