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Ende Februar wurde vor der türkischen Botschaft in Berlin für Deniz Yücel demonstriert.

© dpa

In der Türkei inhaftierter Deniz Yücel: Der Mann, der auch im Gefängnis nicht aufgibt

Am heutigen Sonntag sitzt Deniz Yücel 90 Tage in Einzelhaft - ohne Anklage. Schon jetzt kündigt der deutsch-türkische Journalist an, er werde in der Türkei aktiv bleiben.

Von Carsten Werner

Deniz Yücel wird seit 90 Tagen in der Türkei festgehalten – in Einzelhaft in einem Gefängnis vor Istanbul, ohne offizielle Anklage, bisher ohne Prozess. In mündlichen Verhandlungen war von E-Mails des türkischen Energieministers die Rede, die das linke Hacker-Kollektiv Redhack verbreitet hatte, und von einzelnen übersetzten Passagen aus Yücels Zeitungsartikeln. Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan beschimpft ihn dafür öffentlich schon einmal als Spion, Terroristen und „deutschen Agenten“ ... was wie nebenbei diese Begriffe vermischt und verwischt und neben Yücel – und vielen anderen Journalisten und vielen anderen Verhafteten – auch den deutschen Staat rhetorisch in die Nähe von Terroristen rückt.

Auch wenn die türkische Seite zumindest öffentlich davon nicht viel wissen will, setzt die Bundesregierung, die mit der Türkei nicht nur durch Abkommen in der Flüchtlingspolitik staatlich verbunden ist, auf Diplomatie und Dialog. So nennt Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) den „Fall Deniz Yücel“ „leider nach wie vor ungelöst“. Umso wichtiger sei es, den Dialog zu pflegen, so mühsam das auch sei. „Deswegen tun wir über unsere Kultur- und Bildungsarbeit, was möglich ist, um die Gesprächskanäle offenzuhalten und die zivilgesellschaftlichen Kräfte zu unterstützen“, sagte Gabriel dem Tagesspiegel in einem Interview zur Auswärtigen Kulturpolitik. Jugendaustausch, gemeinsame Kulturorte und -plattformen, die Zusammenarbeit mit NGOs oder Stipendien für verfolgte türkische Wissenschaftler laufen weiter.

Er erhält keine Post und darf keine schreiben

Auch Deniz Yücel selbst will journalistisch und politisch aktiv bleiben. In der „Welt“ hat er Erdogan geantwortet, der eine „Auslieferung“ mehrfach ausgeschlossen hat: „Mir war bewusst, welchen Preis man immer schon in diesem Land für würdevollen Journalismus mitunter bezahlen musste. Diese Möglichkeiten habe ich in Kauf genommen, als ich diese Aufgabe übernahm. Darum kann der Staatspräsident beruhigt sein: Ich möchte nirgendwohin ,ausgeliefert’ werden und habe dergleichen niemals gewünscht.“ Er werde „in diesem Land den Kampf um Demokratie, Gerechtigkeit und Freiheit, der mit der offensichtlich illegitimen Verfassungsänderung mitnichten beendet ist, mit Gottes Hilfe auch in Zukunft aus nächster Nähe journalistisch begleiten“.

Bis auf seine Anwälte und – einmal wöchentlich für eine Stunde – Angehörige wie seine erst im Gefängnis geheiratete Ehefrau darf Yücel keinen Besuch empfangen. Er erhält keine Post und darf keine schreiben. Texte diktiert er den Anwälten; Die Redaktion der „Welt“ hat entschieden, sie zu veröffentlichen. Denn er muss in eigener Sache kämpfen – und gibt anderen „Fällen“, weniger prominenten und politisch heiklen, Gesicht und Stimme. Er ist nur einer von im Moment mehr als 150 Journalisten in türkischer Haft.

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