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Politik: In die Tiefe

Die Ölpest lässt Spaniens Regierung in den Umfragen abstürzen

Die Ölkatastrophe an der galicischen Küste gilt inzwischen als eines der schwersten Tankerunglücke überhaupt. Spaniens Regierungschef Jose Maria Aznar hat sich an der verseuchten Küste jedoch noch nicht sehen lassen. Die galicischen Küstenbewohner, die selbst meist mit primitivsten Mitteln gegen die Ölpest kämpften, fühlen sich von der Regierung in Madrid im Stich gelassen. „Ich versuche, nützliche Dinge zu machen“, sagte Aznar mit der ihm eigenen Kühlheit. So wolle er etwa EU-Hilfen für die Fischer loseisen. Doch zugleich gab Aznar in dieser Woche erstmals zu, dass sein Krisenkabinett bei der Katastrophenbewältigung „Fehler“ und „Irrtümer“ begangen habe.

Vier Wochen nach Beginn der Katastrophe befindet sich die Popularität von Aznars Volkspartei im Sturzflug. Aznar, der nach der Eroberung von 45 Prozent der Stimmen im Jahr 2000 davon träumte, die konservative Revolution nach ganz Europa zu tragen, steuerte seine Volkspartei in die schwerste Vertrauenskrise seit dem Regierungsantritt 1996. Kritik an Aznars Regierung kam auch aus der eigenen Partei.

Die Regierung habe von Anfang an versäumt, die Initiative zu ergreifen, lautet die Kritik der Basis. „Wir müssen doch die ersten sein, die an der Katastrophenfront stehen“, heißt es hinter vorgehaltener Hand. Doch stattdessen überließ Aznar seinem Gegner das Feld, dem immer populäreren und jungen sozialistischen Oppositionsführer Jose Luis Zapatero. Der hat seine Chance erkannt: Zapatero reist schon zum dritten Mal in die Katastrophenzone nach Galicien.

Sogar Aznars politische Freunde jammern, dass ihr Chef, der nach seinem zweiten Wahlsieg im Jahr 2000 erklärte, im Jahr 2004 nicht mehr zu kandidieren, mit dieser Abtrittsankündigung seinen berühmten Machtinstinkt verloren habe. „Man hat mich stets unterschätzt", definierte Aznar damals sein politisches Erfolgsgeheimnis. Nun scheint es ganz so, als habe Aznar die politische Brisanz der Ölkatastrophe unterschätzt.

Aznar war es auch, der Spaniens Aufstieg als neue Wirtschaftsmacht durchpeitschte – auf Kosten der Umwelt. Der Euro-Musterschüler Spanien ist EU-Schlusslicht in Sachen Umweltschutz und in Brüssel bekannt für seine Verstöße gegen europäisches Umweltrecht. Dies könnte auch erklären, warum Aznar und seine Getreuen wochenlang behaupteten, dass es keine Katastrophe gebe und die Fischer sich keine Sorgen machen müssten.

„Wir müssen die Zähne zusammenbeißen“, rief Aznar nun seine im Katastrophenchaos versinkende Volkspartei auf. „Und wir müssen mit anpacken.“ Ein Aufruf, der vier Wochen zu spät kommt. Nach langem Stillschweigen bestätigte Spaniens Regierungssprecher Mariano Rajoy jetzt, dass noch für lange Zeit Unmengen an Gift-Öl aus dem Tankerwrack in den Atlantik fließen werden. In einer Fernsehansprache sagte der Regierungschef nun: „Wir müssen uns auf das Schlimmste vorbereiten.“

Ralph Schulze[Madrid]

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