zum Hauptinhalt

Politik: In etlichen Umfragen liegt der Kandidat der Union, Volker Geers, vor dem Sozialdemokraten Gerhard Langemeyer

Diese Aktion gefiel Franz Müntefering. Kurz vor dem Anpfiff des ersten Heimspiels der Dortmunder Borussia schwärmten die Genossen aus und verteilten, bevorzugt auf Bahnsteigen, kleine Tickets an die Fans.

Diese Aktion gefiel Franz Müntefering. Kurz vor dem Anpfiff des ersten Heimspiels der Dortmunder Borussia schwärmten die Genossen aus und verteilten, bevorzugt auf Bahnsteigen, kleine Tickets an die Fans. Darauf kündigte die "PBVG" an, dass sie demnächst sechs Mark für die einfache Bahnfahrt verlangen werde. Hinter dem Kürzel "PBVG" steckt die "Privat-Bahn Volker Geers". Wer Volker Geers ist, wissen inzwischen die meisten Menschen in der Revierstadt, zum Leidwesen der Sozis. Volker Geers ist der freundliche Mittfünfziger, der die Dortmunder seit Monaten von schwarz-gelben Plakaten anlächelt und mit dem schlichten Slogan wirbt: "Ein Unternehmer für Dortmund". Dass er der CDU angehört, verschweigt er zwar nicht, aber besonders eifrig verkündet er diese Botschaft auch nicht.

Die Sozialdemokraten hat Geers so sehr in die Defensive gedrängt, dass sich die seit 53 Jahren allein regierende SPD zum ersten Mal in einem Wahlkampf mit ihrem Gegner beschäftigt. Geers hatte bei vielen Gelegenheiten gesagt, dass er den Fluss der Subventionen von den Stadtwerken und anderen ertragreichen Töchtern der Kommunen hin zu Bus und Bahnen beenden werde, und hinzugefügt: "Dann müssen die Fahrgäste eben mehr bezahlen." Früher hätten die Genossen da nicht einmal den Kopf geschüttelt. Günter Samtlebe, der amtierende Oberbürgermeister, hätte solche Vorstellungen eines CDU-Kandidaten in der heimlichen Hauptstadt der SPD mit einer Handbewegung beiseite gewischt.

Inzwischen ereifern sich Samtlebe und Heinemann lautstark über die "Sprüche" des CDU-Gegenspielers. In etlichen Umfragen liegt der Kandidat der Union vor dem Sozialdemokraten Gerhard Langemeyer, der Samtlebes Nachfolger werden soll. Sicher, die weit mehr als 50 Prozent für Geers, die eine Regionalzeitung kürzlich veröffentlicht hat, entsprechen nicht den wirklichen Verhältnissen. "Aber wir müssen nicht herumreden, Langemeyer liegt, wenn auch knapp, hinten", muss der SPD-Unterbezirksvorsitzende Bernhard Rapkey zugeben. Bei der Kommunalwahl 1994 bekamen die Genossen noch 51 Prozent, die CDU war bei 30 Prozent hängengeblieben, auf jenem Niveau, über das die Christdemokraten in weiten Teilen des Ruhrgebiets seit Jahrzehnten nicht hinauskommen. Aber Rapkey will lieber nicht allzu lange über solche Zahlenspielereien nachdenken: "Der Wind hat sich gedreht, wir holen jetzt auf."

Diesen Satz hört man in diesen Tagen überall bei der SPD. Franz Müntefering ist am vergangenen Wochenende eilig in seine politische Heimat zurückgekehrt; er war Bezirksvorsitzender im westlichen Westfalen, bevor er von Johannes Rau den Landesvorsitz an Rhein und Ruhr übernahm. Er kommt jetzt häufig gemeinsam mit Wolfgang Clement, dem Düsseldorfer Ministerpräsidenten. Müntefering schmiert dann Balsam auf die wunden sozialdemokratischen Seelen: "Wir sind und bleiben die Schutzmacht der kleinen Leute." Clement nutzt gleichzeitig die Gelegenheit, um seinen Genossen einzuhämmern: "Wir setzen auf neue Unternehmen, soziale Gerechtigkeit heißt zuallererst: neue Arbeitsplätze." Der Funke springt über, Müntefering und Clement werden von den mehr als 2000 Zuhörern gefeiert, und manch einer wünscht sich so eine Arbeitsteilung auch an der Bundesspitze.

Anschließend tritt Gerhard Langemeyer ans Pult. "Langweiler" hatte ihn Geers verspottet und damit das Gefühl etlicher Sozialdemokraten getroffen. Langemeyer amtiert seit Jahren im Schatten Samtlebes als Oberstadtdirektor. Eigentlich war der Pfeifenraucher für die erste Reihe gar nicht vorgesehen, denn Samtlebe hatte Franz Josef Drabig küren wollen. Doch der war über eine Rotlichtaffäre gestolpert, die vor dem Jahreswechsel bundesweit für Schlagzeilen gesorgt hatte. Als kürzlich auch noch bekannt wurde, dass Drabig etliche Jahre vergessen hatte, seine Nebeneinkünfte aus Diäten und Aufsichtsratsmandaten beim Finanzamt anzugeben, musste Samtlebes Wunschkandidat eilig den Vorsitz der Mehrheitsfraktion im Rat niederlegen. Während Drabig ähnlich laut und selbstbewusst wie sein politischer Vater Samtlebe auftritt, verwirrte Langemeyer die Genossen mit ungewohnten Tönen. "Seid Ihr wirklich die Besten?", fragte er anlässlich seiner Wahl zum Kandidaten für den 12. September seine entgeisterten Parteifreunde. Die meisten fuhren danach ungerüht in den Sommerurlaub und vergaßen den Wahlkampf.

Als jetzt die katastrophalen Umfragewerte bekannt wurden, erwachte die Partei aus dem Tiefschlaf. "Da ist einiges nicht optimal gelaufen", analysierte auch Bernhard Rapkey, aber natürlich sieht er nicht nur die hausgemachten Probleme: "Der Bundestrend läuft gegen uns, die Fünf-Prozent-Hürde ist weg, und das neue Wahlrecht verändert die Lage." Zum ersten Mal wählen die Bürger an Rhein und Ruhr ihr Stadtoberhaupt direkt, sie können also durchaus für die SPD und gleichzeitig für Geers stimmen. In Dortmund liegt die SPD in allen Umfragen immer noch vor der CDU, während Geers an Langemeyer vorbeizieht.

Seit dem Wochenende keimen in der SPD neue Hoffnungen, diesen Trend noch einmal zu durchbrechen. "Von Dortmund, dem Leuchtturm für die Region", hat Wolfgang Clement die Genossen beschworen, "darf kein falsches Signal ausgehen." Gerhard Langemeyer, der am Wochenende so offensiv wie nie zuvor auftrat, versprach ihm: "Dazu wird es nicht kommen, Wolfgang." Seine Pfeife hat er zur Seite gelegt, siegesgewiss wie sein Gegenkandidat Geers reckt er die Arme nach oben. "Seine dummen Sprüche sind genauso geklaut wie die Farbe schwarz-gelb", ruft er dem Publikum zu, das auf solche Attacken geradezu wartet. Dass Volker Geers sich der Farben von Borussia bemächtigt hat, mag Langemeyer nicht schlucken. "Wer hat denn den Ausbau unseres schönen Stadions vorangetrieben?", fragt er in die Runde. Die Antwort muss er nicht geben. Die CDU war dagegen. Im kleinen Kreis nach der Veranstaltung wird Langemeyer allerdings noch einmal nachdenklich: "Ich weiß, in der Politik gibt es keine Dankbarkeit."

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false