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Politik: In gutem Glauben

Die Untersuchungskommission hat Premier Blair entlastet – doch die Debatte um den Krieg geht weiter

Der britische Premier Tony Blair hatte wohl gehofft, eine Hürde auf dem Weg seiner politischen Rehabilitation genommen zu haben. Doch vorerst bleibt es bei der Hoffnung. Der am Mittwoch vorgelegte Bericht der Irakkommission von Lord Butler löste eine Debatte über Blairs politische Verantwortung und seine Glaubwürdigkeit aus. In dem Bericht über die britischen Geheimdienstinformationen zum Irak sei eine ungeöffnete „Büchse der Pandora“ versteckt, sagte der Chef der Liberaldemokraten, Charles Kennedy, und forderte eine neue Untersuchung der politischen Entscheidungen vor dem Irakkrieg.

Der Bericht der fünfköpfigen Kommission liest sich wie eine Liste von Vorwürfen, enthält aber keine Empfehlung für personelle Konsequenzen. Wie zuvor der Untersuchungsbericht des US-Senats für die USA kritisiert auch die britische Kommission die Geheimdienste, die Prozesse im britischen Regierungsapparat und vor allem die Zusammenarbeit beider Seiten, bei der „Demarkationslinien“ verwischt worden seien. Doch sprach Kommissionschef Butler Premier Blair und alle anderen Beteiligten vom Vorwurf „absichtlicher Verfälschung oder schuldhafter Leichtfertigkeit“ frei. „Es kann keinen Zweifel geben, dass die Regierung die Lagebeurteilung, zu der sie auf Grundlage des Irakwaffendossiers (im September 2002) gekommen war, glaubte“, heißt es.

Diese in Paragraf 310 des 216-Seiten- Berichts festgehaltene Ehrenerklärung rückte Blair in den Mittelpunkt seiner Stellungnahme im Unterhaus. Er übernahm die „volle Verantwortung für Fehler“. Die Zweifel an seiner Ehrlichkeit aber seien durch diesen vierten Bericht zum Irakkrieg zerstreut worden. „Niemand hat gelogen. Niemand hat Geheimdienstberichte erfunden. Die Frage des guten Glaubens sollte sich nun ein für alle Mal erledigt haben“, rief Blair im Unterhaus.

Blair räumte ein, dass die Beweise weniger fundiert waren, als ursprünglich behauptet wurde. Reue zeigte er aber nicht: „Ich kann nicht sagen, dass es ein Fehler war, Saddam Hussein loszuwerden.“ Schon die Unterhausdebatte zeigte aber, dass Blair an der Frage, warum britische Soldaten auf so zweifelhafter Grundlage in den Krieg geschickt wurden, nicht vorbeikommt. Es reiche nicht, wenn er die Verantwortung für Fehler übernehme, so Oppositionschef Michael Howard. „Der Premier muss sich fragen, ob von seiner Glaubwürdigkeit noch etwas übrig ist.“

Laut dem Butler-Bericht fasste die Regierung Blair im März 2002 ein militärisches Vorgehen gegen den Irak auf der Grundlage „zweifelhafter“ und „fehlerhafter“ Geheimdienstberichte ins Auge. Nichts habe darauf hingedeutet, dass der Irak in Sachen Massenvernichtungswaffen zu mehr Sorge Anlass gab als andere Länder. Allerdings sei die Behauptung, der Irak habe sich in Niger um den Kauf von Uran bemüht, „gut begründet“ gewesen. Das im September 2002 von der Downing Street veröffentlichte Geheimdienstdossier habe den Eindruck umfassenderer und sichererer Informationen erweckt, als es wirklich der Fall war. Diesen Eindruck habe Blair bei seiner Präsentation noch verschärft. Dennoch vermeidet der Bericht Schuldzuweisungen und spricht von „kollektivem Versagen“.

Butler nahm ausgerechnet den Mann in Schutz, der den Sündenbock abgeben könnte: John Scarlett, designierter Chef des Auslandsgeheimdienstes und als Vorsitzender des Ausschusses für das Dossier verantwortlich. Er wisse, dass sein Bericht zu Forderungen nach Scarletts Rücktritt führe, sagte Butler, hoffe aber, dass Scarlett dem kein Gehör schenke.

Vernichtend für Blair ist indes der Vorwurf, das Kabinett unzureichend informiert zu haben. Dennoch bekam Robin Cook, ehemals Außenminister, genug mit, um im März 2003 zurückzutreten. „Der Irak hat wahrscheinlich keine Massenvernichtungswaffen im gewöhnlichen Sinn des Wortes“, sagte Cook in seiner Rücktrittserklärung.

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