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Politik: In Haft nach einer Rede

Türkische Justiz setzt sich im Fall Zana über EU-Normen hinweg

Leyla Zana kam gar nicht erst aus ihrer Zelle. So deutlich hatte das Staatssicherheitsgericht in Ankara bei ihrem Wiederaufnahmeverfahren gemacht, was es von den rechtsstaatlichen Einwänden des Europäischen Menschenrechtsgerichtshofes gegen ihre Verurteilung hielt, dass die kurdische Ex-Abgeordnete zur Urteilsverkündung am Mittwoch nicht erschien. Das Staatssicherheitsgericht bestätigte die Verurteilung von Zana und drei weiteren Ex-Parlamentariern zu 15 Jahren Gefängnis wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung. Für Zana bedeutet das Urteil, dass sie nach zehnjähriger Haft hinter Gittern bleibt. Für die Türkei bedeutet die Entscheidung der Richter einen schweren Rückschlag auf dem Weg in die EU.

Bei dem Prozess gegen Zana handelte es sich um das erste türkische Wiederaufnahmeverfahren nach einem Einspruch des Europäischen Menschenrechtsgerichts. Dieser Rechtsweg war erst durch die Reformen eröffnet worden, die Ankara im Zuge der Annäherung an die EU verabschiedet hat. Mit Spannung wurde erwartet, wie die türkische Justiz mit den Einwänden der Straßburger Richter umgeht, die im Fall Zana vor allem die Verletzung der Verteidigerrechte monierten. Das Europaparlament, viele EU-Regierungen und auch die türkische Regierung machten deutlich, dass sie die Freilassung Zanas erwarteten, die bei ihrer Vereidigung im türkischen Parlament 1991 kurdisch gesprochen und damit einen Skandal ausgelöst hatte.

Das Staatssicherheitsgericht focht das nicht an, lehnte im Verfahren jeden Antrag auf vorläufige Freilassung ab und bestätigte nun das Urteil von 1994. Mit der Rechtsstaatlichkeit sah es auch diesmal nicht besser aus, wie ein Beobachter der Internationalen Juristenkommission beanstandete: Insbesondere mit der Unschuldsvermutung und den Verteidigerrechten habe es das Gericht nicht so genau genommen. Die Richter hätten die Angeklagten von Anfang an offen als schuldig betrachtet, beschwerte sich Zanas Anwalt Yusuf Alatas. Der Verteidiger kündigte an, erneut in Berufung und gegebenenfalls auch noch einmal nach Straßburg zu ziehen.

Die Reaktionen aus Europa ließen nicht lange auf sich warten. Bundestagspräsident Wolfgang Thierse sagte bei seinem Besuch in Ankara: „Die Türkei wird viel Mühe haben, die Wirkung dieses Urteils im Ausland zu überwinden.“ Das Urteil werfe einen Schatten auf die Umsetzung der Reformen in der Türkei, sagte ein EU-Sprecher in Brüssel.

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