zum Hauptinhalt

Politik: In immer mehr Städten ist die Luft dreckiger als erlaubt

Auch in Berlin droht Überschreitung der Werte Für viele Autos noch keine Filter / Streit um Fahrverbote

Berlin - Aus immer mehr deutschen Großstädten werden zu hohe Werte von Feinstaub in der Luft gemeldet. Neben München hat auch Stuttgart mehr Dreck in der Luft als von der EU erlaubt. Brüssel lässt Überschreitungen des Grenzwertes an 35 Tagen zu. Berlin könnte die Vorgabe bald überschreiten, Düsseldorf sogar schon in dieser Woche. Politiker und Experten geraten in einen heftigen Streit über Konsequenzen. Überwiegend lehnen sie allerdings weitreichende Fahrverbote ab.

München setzt nach Angaben seines Oberbürgermeisters Christian Ude (SPD) auf eine Verlagerung des Schwerlastverkehrs aus der Stadt heraus. Ein Aktionsplan für Düsseldorf sieht ein Lkw-Fahrverbot für eine betroffene Straße, in der letzten Stufe auch eine Sperrung der gesamten südlichen Innenstadt für alle Dieselfahrzeuge ohne Partikelfilter vor – obwohl die Belastung hauptsächlich von Bussen und Lkw ausgeht. Stuttgart hat bereits Mitte März den EU-Grenzwert zum 36. Mal überschritten, gab diese Bilanz aber erst am Dienstag bekannt. Die Stadt wehrt sich nach Angaben eines Sprechers gegen Alleingänge, sowohl in Richtung Maut als auch in Sachen Fahrverbot.

In Berlin wurden die EU-Werte nach Angaben des Umweltbundesamtes an einer Station der insgesamt 14 Messstellen schon an 25 Tagen überschritten. Allerdings habe es über Ostern durch einen Defekt Messfehler mit zu hohen Werten gegeben, die ebenfalls in der Statistik berücksichtigt worden seien, teilte die Berliner Stadtentwicklungsverwaltung mit. Der Senat wehrt sich weiter dagegen, ein kurzfristiges Fahrverbot für Dieselfahrzeuge zu erlassen, die keinen Rußfilter haben. Nach dem aktuellen Luftreinhalteplan soll es erst von 2008 an im Zentrum Fahrverbote für Autos geben, die dann nicht die EU-Abgasnormen erfüllen. Länder und Kommunen haben bei ihren Aktionsplänen gegen Feinstaub Spielraum. Der Grünen-Umweltpolitiker Winfried Hermann forderte Maßnahmen, um die Schadstoffbelastung „wirklich zu reduzieren“. Welche Pläne am besten greifen, ist umstritten. Der ADAC und die Deutsche Umwelthilfe forderten Rußfilter für alle Diesel-Neuwagen. Die Umwelthilfe verklagte zugleich betroffene Städte auf Gegenmaßnahmen und schlägt auch Geschwindigkeitsbegrenzungen vor. SPD-Chef Franz Müntefering sprach sich gegen Fahrverbote aus und forderte „ mit Nachdruck“ vermehrte Anstrengungen der Autoindustrie.

Experten zufolge schadet die Diskussion über mögliche Fahrverbote der Automobilkonjunktur. „Der Feinstaub ist regelrecht giftig für die Autohersteller“, sagte Automobilexperte Willi Diez von der Hochschule Nürtingen dem Tagesspiegel. Die Käufer halten sich zurück, auch weil derzeit noch unklar ist, unter welchen Bedingungen die Rußfilter steuerlich begünstigt werden. Das Angebot an Fahrzeugen, die serienmäßig mit einem Rußpartikelfilter ausgestattet sind, ist zudem immer noch gering. Ab Mitte des Jahres sollen jedoch alle Dieselautos von Mercedes mit einem Rußpartikelfilter ausgestattet werden. Andere Hersteller zögern noch. Der unsichtbare Feinstaub in der Luft besteht unter anderem aus Dieselrußpartikeln, Industrieemissionen, Straßenstaub und Autoreifenabrieb. Feinstäube gelten als eines der drängendsten Probleme bei der Luftreinhaltung.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false