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Politik: In Merkels Manege

Der Baden-Württemberger Kauder soll als Parlamentarischer Geschäftsführer der Chefin den Rücken freihalten

Von Robert Birnbaum

Friedrich Merz hat Beifall bekommen – sehr langen Beifall, „mehr als zwingend nötig gewesen wäre“, sagt einer, der dabei war. Der Dank der CDU/CSU-Fraktion nützt dem scheidenden Fraktionschef zwar nicht mehr, das Lob des Kanzlerkandidaten Edmund Stoiber für die „großartige Arbeit“ auch nicht, aber beides wärmt das verletzte Gemüt.

Angela Merkel hat Stimmen bekommen – 214 von 243. Zwei Handvoll Abgeordnete der Union wollten die CDU-Chefin nicht als ihre Fraktionschefin sehen, elf Stimmen waren ungültig, vielleicht weil ein paar der vielen Neuen am ersten Tag im Reichstag noch etwas konfus waren. Macht jedenfalls 92,2 Prozent der gültigen Stimmen, was nicht ganz so sowjetisch ist wie die 96 Prozent vor zweieinhalb Jahren bei der Wahl des Hoffnungsträgers Merz, aber allemal sehr gut.

Es musste ja auch so kommen. Edmund Stoiber hat Merkel vorgeschlagen. Es gebe immer mehrere Möglichkeiten, die Führung in der Opposition zu gestalten, sagte der CSU-Chef anschließend. Aber um den „strategischen Erfolg“ der Union bei der Bundestagswahl zu gestalten, sei die Bündelung von Partei- und Fraktionsführung in einer Hand der beste Weg.

Merkel sieht das natürlich genauso. Und sie hat mit ihrer ersten Personalentscheidung als Fraktionsvorsitzende gezeigt, dass sie ihren eigenen strategischen Erfolg zu nutzen gedenkt. „Hut ab“, sagt ein Abgeordneter. Den Posten, um den es geht, kennt kaum jemand außerhalb des Parlaments. Aber er zählt zu den wichtigsten im Geschäft einer Fraktion, in der Opposition zählt er sogar zu den allerwichtigsten überhaupt: Der Erste Parlamentarische Geschäftsführer ist so etwas wie der Ober-Strippenzieher. Bisher war das der oft bieder wirkende, aber in Wahrheit mit allen Wassern gewaschene Badener Hans-Peter Repnik. Ein aufrechter Mann, der das Amt schon unter Wolfgang Schäuble innehatte und es unter Friedrich Merz behielt. Merkel aber entschied sich für einen anderen Helfer: Volker Kauder.

Die Wahl ist auf den ersten Blick so überraschend wie auf den zweiten logisch. Der Mann, der als frühen Berufswunsch „Zirkusdirektor“ nennt, gilt als glänzender Organisator. Kauder ist aber vor allem Chef der mächtigen baden-württembergischen Landesgruppe innerhalb der CDU/CSU-Fraktion. Der 52-Jährige sichert damit der neuen Chefin den Rückhalt einer großen Gruppe jener Konservativen, die bisher zu den entschlossenen Merkel-Skeptikern zählten. Dass Kauder als Generalsekretär der baden-württembergischen CDU den Putsch-Landesparteitag im badischen Rust organisiert hat, bei dem die Südstaatler im vorigen November Merkels Ambitionen auf die Kanzlerkandidatur ausbremsten – vergeben und vergessen.

Wie es weitergeht, dafür hat Merkel schon eine Linie abgesteckt: Die Union werde ihre Schlagkraft, die ihr die Stimmen-Mehrheit im Bundesrat verleiht, so nutzen, dass „Alternativen sichtbar“ würden, ohne dass dabei reine Blockadepolitik herauskomme. Außerdem hat Merkel eine erste inhaltliche Duftmarke gesetzt: Nicht nur ihr altes Lieblingsthema einer neuen Sozialen Marktwirtschaft, auch „Umwelt und Menschenrechte“ nannte die frisch gewählte Oppositionsführerin als Themen einer christlichen Partei.

Ansonsten aber gilt die alte Erkenntnis „Nach der Wahl ist vor der Wahl“. Wolfgang Schäuble ist jedenfalls schon vom „Stern“ gefragt worden, ob Merkel mit der Doppel-Funktion nicht automatisch Anwärterin auf die Kanzlerkandidatur 2006 sei. Die Antwort fiel leicht doppelbödig aus: „Nein. Das ist nicht die Haltung der Union.“ Merkel selbst ging der Frage aus dem Weg. Aktuell ist sie ja wirklich nicht. Aber gestellt werden wird sie ab jetzt noch oft.

Bleibt nachzutragen, dass auch Merz eine neue Zukunft hat. Jürgen Rüttgers, Chef seines Heimat-Landesverbandes NRW, hat angeboten, ihn beim Bundesparteitag im November für einen Sitz im CDU-Präsidium vorzuschlagen. Merz hat angenommen. Er gehe zurück ins Glied, hat er in der Fraktion gesagt, „und ich tue das gern“. Für die, die das nicht ganz glaubten, gab es einen Nachsatz: „Ich werde tun, was die Fraktion für mich vorsieht und was ich will.“ Auch dieser Satz ist ein bisschen doppelbödig.

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