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Politik: In Rabins Namen

Amram Mitzna ist neuer Vorsitzender der Arbeitspartei. Er will die Armee aus Gaza und der Westbank abziehen

Von Charles A. Landsmann,

Tel Aviv

An der Spitze der israelischen Arbeitspartei hat ein Wechsel stattgefunden. Und das Parlament, die Knesset, hat wahrscheinlich nach den Wahlen Ende Januar einen neuen Oppositionsführer: Sein Name ist Amram Mitzna. Jeder andere Ausgang der internen Wahl durch die 110 000 Parteimitglieder wäre eine Sensation gewesen, denn der Newcomer in der nationalen Politik lag in allen Meinungsumfragen deutlich vor seinen Mitkonkurrenten, dem bisherigen Vorsitzenden und Verteidigungsminister Benjamin Ben Elieser, sowie dem Vorsitzenden des Knessetausschusses für Außen- und Sicherheitspolitik, Chaim Ramon.

Mitzna, hochangesehener Ex-General und erfolgreicher Oberbürgermeister von Haifa, verdankt seinen Erfolg drei Gründen. Er ist politisch unverbraucht und bringt der Arbeitspartei den dringend notwendigen frischen Wind. Er hat eine eindeutige politische Linie, ist eine „Taube“. Und er profitiert vom Unvermögen Ben-Eliesers, die Arbeitspartei inhaltlich klar vom regierenden Likud abzugrenzen. All das erlaubt die Prognose, dass Mitzna bis Januar kaum Wähler aus dem „Nationalen Lager“ hinüberziehen kann. Er könnte jedoch für einige Wechselwähler der Mitte attraktiv sein, vor allem aber wird er viele absprungbereite Arbeitsparteiwähler halten können. Deshalb wird sich aber der im Augenblick uneinholbar scheinende Vorsprung von Scharons Likud in den Meinungsumfragen wohl am Wahltag bestätigen, und Mitzna auf den Oppositionsbänken der Knesset Platz nehmen müssen. Schließlich hatte er von Ben Elieser immer wieder gefordert, aus der „Regierung der Nationalen Einheit“, also der großen Koalition mit dem Likud, auszutreten.

Tatsächlich ist Mitznas politisches Programm mit dem des Likud schlichtweg unvereinbar, und auch ein noch so fauler Kompromiss scheint völlig unmöglich. Wenn er Ministerpräsident werde, würden sämtliche Siedlungen im Gazastreifen schnellstmöglich geräumt und die Armee aus dem dicht bevölkertsten Landstreifen der Welt abgezogen, erklärte Mitzna in einem ausführlichen Interview mit der liberalen Zeitung „Haaretz“. Eine Entscheidung über einen einseitigen Rückzug aus dem Westjordanland habe unabhängig von irgendwelchen politischen Fortschritten zu erfolgen. Mit ihm als Regierungschef werde – nachdem der Versuch der Wiederbelebung des Friedensprozesses unternommen worden sei – der Rückzug aus einem Großteil der Westbank ein Jahr nach Amtsantritt erfolgen. Der in Bau befindliche Sicherheitszaun werde unter ihm nur große Siedlungsblöcke „auf israelischer Seite“ einschließen, währende vereinzelte Sieldungen auf der „palästinensischen Seite“ verbleiben würden.

Vor allem aber tritt Mitzna seit der doch recht überraschenden Ankündigung seiner auch von Wirtschaftsbossen unterstützten Kandidatur für eine sofortige Wiederaufnahme der Verhandlungen mit der gegenwärtigen palästinensischen Führung, also auch mit Präsident Arafat, ein. Klarer könnte der Gegensatz zu Scharon nicht sein, der immer neue Vorbedingungen für Verhandlungen unter Ausschluss des Palästinenserführers aufstellt – und sich danach selbst nicht an diese hält.

Mitzna ist nicht nur in dieser Hinsicht der politische Erbe des ermordeten Ministerpräsidenten Rabin, der seinerzeit die Formel geprägt hat, welche nun Mitzna wiederaufleben lässt und die das exakte Gegenteil von Scharons „Keine Verhandlungen unter Feuer“ darstellt: Verhandlungen, als ob es keinen Terror gäbe; den Terror bekämpfen, als ob nicht verhandelt würde.

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