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Politik: In Rheinland-Pfalz bewährt sich nach Straftaten die Vermittlung als Alternative zu Verurteilungen

Nicht immer sind strafrechtliche Verurteilungen das geeignete Mittel, um Tätern das Unrecht ihres Handelns klarzumachen und sie von weiteren Straftaten abzuhalten. Immer mehr wird in Rheinland-Pfalz der Täter-Opfer-Ausgleich als Alternative oder zur Strafmilderung ins Auge gefasst.

Nicht immer sind strafrechtliche Verurteilungen das geeignete Mittel, um Tätern das Unrecht ihres Handelns klarzumachen und sie von weiteren Straftaten abzuhalten. Immer mehr wird in Rheinland-Pfalz der Täter-Opfer-Ausgleich als Alternative oder zur Strafmilderung ins Auge gefasst. Er sei auf Erfolgskurs, sagt Justizminister Peter Caesar (FDP).

In einem Ort in der Pfalz schlug ein 14jähriger einen Gleichaltrigen brutal zusammen. Der Hintergrund: Das Opfer hatte davor angedroht, an einem anderen Jugendlichen Rache zu üben. Als der Täter ihn deshalb zur Rede stellte, schlug er gleichzeitig auch zu, "bevor es der andere macht", wie er sein Vorgehen später im Vermittlungsgespräch begründete. Eine Strafanzeige und 3000 Mark Schmerzensgeldforderung folgten auf den Fuß. Ein Fall für den Täter-Opfer-Ausgleich. Der jugendliche Schläger sah im Vermittlungsgespräch das Unrecht ein und erklärte sich zu 100 Stunden gemeinnütziger Arbeit bereit. Dem Opfer wurden mit dessen Einverständnis 1000 Mark aus dem durch Geldbußen finanzierten Opferfonds ausbezahlt.

In einem anderen Fall fuhr eine Frau mit ihrem Pkw nachts durch eine verkehrsberuhigte Zone, als sich ihr ein Betrunkener laut schimpfend in den Weg stellte und die Windschutzscheibe zertrümmerte. Der Mann wurde dingfest gemacht. Die Staatsanwaltschaft regte einen Täter-Opfer-Ausgleich an, in den die Frau allerdings nur zögerlich einwilligte. Doch im Vermittlungsgespräch erlebte sie den Peiniger als ordentlichen Menschen. Er hatte sich an jenem Abend maßlos betrunken, weil ihn seine Frau verlassen hatte. Schließlich wurde vereinbart, daß der Täter die Kosten für die Windschutzscheibe erstattet und dem Opfer den Arbeitsausfall des Reparaturtags ersetzt - alles in allem 2000 Mark. Das Strafverfahren wurde eingestellt.

Beide Beispiele sind Fälle, die Sonja Ullmann von der "Dialog"-Stelle Frankenthal des Vereins Pfälzer Straffälligenhilfe schilderte. Diese Stelle ist eine der Vermittlungsstellen im Land, die den Täter-Opfer-Ausgleich nach entsprechender Zuweisung durch die Staatsanwaltschaft entweder selbst vorbereiten oder an das zuständige Jugendamt weiterleiten. Im Landgerichtsbezirk Frankenthal nimmt der Täter-Opfer-Ausgleich mit 600 bis 700 Verfahren im Jahr eine Spitzenposition ein. In Rheinland-Pfalz insgesamt wurden 1998 knapp 1200 Strafverfahren dieser einverständlichen Konfliktregelung zugeführt - in jedem zweiten Fall mit Erfolg, wie sich Justizminister Caeser hochzufrieden äußerte.

Doch insgesamt könnte es um den Täter-Opfer-Ausgleich noch weit besser bestellt sein, wenn es genügend Vermittlungsstellen gäbe und wenn vor allen Dingen Staatsanwälte und Richter sich mehr mit dieser sinnvollen Alternative zu Gerichtsverfahren anfreunden könnten. Der Mainzer Leitende Oberstaatsanwalt Klaus Puderbach, räumt ein, daß sich in den Köpfen der Staatsanwälte etwas verändern müsse. Sie fassten von ihrer Arbeitsweise und ihrer Ausbildung her das Strafverfolgungsinteresse des Staates als den Höhepunkt ihrer Tätigkeit auf. Nur allmählich spiele bei ihnen der Gedanke an das Opfer eine stärkere Rolle. In Österreich, so Puderbach, sei die Justiz inzwischen so weit, daß der außergerichtliche Tatausgleich dort landesweit einheitlich organisiert sei. In Deutschland müssten erst noch die Strukturen geschaffen werden, die es dem Staatsanwalt ermöglichten, den Täter-Opfer-Ausgleich ohne zusätzliche berufliche Belastung umzusetzen.

Rheinland-Pfalz gehört zu den Bundesländern, bei denen das Umdenken bereits eingesetzt hat. Ein Täter-Opfer-Ausgleich ist laut Puderbach prinzipiell bei allen Verfahren denkbar, auch - wenngleich das kaum vorkommt - bei Mord mit den Angehörigen des Opfers. Im Vordergrund stehe zur Zeit aber noch der ganze Bereich der Körperverletzungs- und Beleidigungsdelikte. Wünschenswert sei es, dass der Ausgleich auch bei schweren Delikten, etwa einem Raubüberfall, versucht werde. Das Opfer käme dann aus seiner Funktion heraus, kurz als Zeuge aufzutreten und dann wieder aus dem Gerichtssaal zu verschwinden, und könnte mehr gestaltenden Einfluss auf den Verlauf des Verfahrens nehmen.

Auch Sonja Ullmann beklagt die Zurückhaltung von Staatsanwälten und Richtern beim Täter-Opfer-Ausgleich. Dahinter stecke die meist unbegründete Furcht vor zusätzlicher Arbeit. "Die Akte liegt dann zwar ein bisschen länger, aber das Ergebnis ist befriedigender, und das Zivilverfahren oder die Anklage im strafrechtlichen Bereich können eingespart werden." Frau Ullmann sieht aber auch das Manko, dass in vielen Gebieten die Vermittlungsstellen nicht durchorganisiert sind. Jetzt sei zu deren Vereinheitlichung und zur Ausweitung des Täter-Opfer-Ausgleichs eine Landesarbeitsgemeinschaft gegründet worden. "Wir wollen noch mehr ins Hauptverfahren reinkommen." Nach Anklageerhebung oder aus der Hauptverhandlung heraus einen Täter-Opfer-Ausgleich zu wagen, sei derzeit noch nicht möglich, "weil es die Richter nicht wollen".

Heidi Parade

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