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Auch Muslime in Indien nutzen den anstehenden Besuch zu Protesten.

© REUTERS

Indien: Enttäuschte Großmacht

US-Präsident Obama muss sich bei seinem Indienbesuch auf Kritik an seiner Afghanistanpolitik einstellen.

Mehr als drei Tage nimmt sich Barack Obama für Indien Zeit. Das ist lange für einen termingestressten US-Präsidenten. Dennoch hält sich die Freude bei den Gastgebern in Grenzen. Während halb Indien vor der Visite von Obamas Vorgänger 2005 im Bush-Fieber versank, sind die Töne nun kühl, ja sogar scharf. „Obama kommt nach Indien und hat anscheinend nichts zu bieten“, stichelte die Zeitung „Mail today“ enttäuscht.

Obama ist es bisher nicht gelungen, mit Indien warm zu werden. Ob er das Eis bei seinem Antrittsbesuch brechen kann, ist fraglich. Seine Tour wird er am Samstag in Mumbai starten, um den Opfern der dreitägigen Terrorattacke von 2008 Tribut zu zollen. Als politisches Herzstück wird seine Rede am Montag vor dem Parlament in Delhi gehandelt.

Aber die Inder machen sich wenig vor. Obama kommt weniger als strategischer Partner des Gandhi-Landes, sondern als oberster Handlungsreisender der USA – im Schlepptau hat er eine 215 Kopf starke Wirtschaftsdelegation. Der angeschlagene US-Präsident möchte Milliardenaufträge an Land ziehen, um die US-Wirtschaft zu stärken. Sein Reiseziel sei, „Verträge abzuschließen, die amerikanische Jobs schaffen“, schreibt das „Wall Street Journal“.

Doch bei den Vorgesprächen knirschte es heftig. Indien möchte unter anderem 126 Kampfjets im Wert von etwa elf Milliarden Dollar kaufen. Doch es blieb offen, ob US-Firmen den Zuschlag erhalten. Auch Frankreich, Russland und sogar China klopfen an. In Washington findet man, dass Delhi den USA die Deals schuldet, weil die Bush-Regierung den zivilen Nuklearpakt durchboxte, der dem lange geächteten Atomparia Indien quasi den Status einer anerkannten Nuklearmacht einräumte.

Doch das zusehends selbstbewusste Gandhi-Land will sich nicht einfach auf eine Bringschuld festnageln lassen, sondern erwartet auch von den USA weiteres Entgegenkommen: Auf Delhis Wunschliste stehen etwa der Zugang zu „Dual-use-Technik“, also Technik, die sowohl zivil als auch militärisch genutzt werden kann – und ein ständiger Sitz im UN-Sicherheitsrat. Vor allem mit klarem Rückhalt für den UN-Sitz könnte Obama die Herzen der Inder im Sturm erobern, aber bisher zögert er.

Auch Obamas Afghanistanstrategie stößt Indien sauer auf. Delhi ist alarmiert, dass sich Washington jüngst wieder an Pakistan heranschmust. Obgleich Islamabad über eine Woche den Khyber-Pass sperrte und so die Nato-Transporte nach Afghanistan blockierte, spendierte Washington Indiens Erzfeind nun weitere zwei Milliarden Dollar Militärhilfe. Auch übersehen die USA geflissentlich, dass Islamabad offenbar weiter seine schützende Hand über das berüchtigte Haqqani-Netzwerk hält.

In Delhi sieht man diese Signale mit Sorge. Man fürchtet, dass sich die USA am Hindukusch mit Pakistan zusammentun und Indien außen vor bleibt. Die Inder erwarten, dass Obama ihre Sicherheitsinteressen berücksichtigt. Es hat das Klima auch nicht verbessert, dass US-Medien enthüllten, dass die USA Delhi angeblich wichtige Geheimdienstinformationen vorenthielten, die das Blutbad im Mumbai möglicherweise hätten verhindern können. Der Analyst und Ex-Diplomat M. K. Bhadrakumar glaubt, dass „der Missklang“ zwischen Delhi und Washington „ernster und und langfristiger“ ist, als es zunächst scheint. So hatte Obamas Vorgänger George W. Bush das demokratische Indien als Gegengewicht in Asien zum autoritären China aufbauen wollen. Obama, der von Bush zwei Kriege erbte, habe seine Prioritäten neu sortiert. Er brauche vor allem China – und Pakistan, meint Bhadrakumar. „Pakistan wird für die USA eine Schlüsselrolle spielen.“ So wollten die USA sich über die pakistanische Hafenstadt Gwadar die milliardenschweren Mineralschätze Zentralasiens erschließen.

Dazu passt auch, dass Washington Obamas Indienreise eher niedrig hängte. US-Außenministerin Hillary Clinton soll den dreitägigen Besuch sogar zum bloßen „Stopp in Indien“ im „Rahmen einer größeren Asienreise“ degradiert haben. Das kam nicht gut an in Delhi.

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