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Indien und Pakistan: Nachbar in Erklärungsnot

Experten sehen Terrorprofis aus Pakistan am Werk: US-Außenministerin Condoleezza Rice fordert den Nachbarn nach den Anschlägen zur Zusammenarbeit mit Indien auf.

Offiziell wird beschwichtigt. Der Besuch solle die Solidarität der USA mit Indien unterstreichen, heißt es. Tatsächlich scheint Washington besorgt zu sein. Nach dem Terrordrama in Indiens Finanzmetropole Bombay schickte US-Präsident George W. Bush Außenministerin Condoleezza Rice zur Visite nach Delhi. Die Stimmung zwischen Indien und Pakistan ist gespannt. Delhi macht zwar nicht die Regierung in Islamabad und auch nicht die oberste Militärführung Pakistans für die Terrorattacke mit mehr als 180 Toten verantwortlich – vermutet aber „Kräfte aus Pakistan“ als Drahtzieher. Indien soll bereits seine Patrouillen an der Grenze zu Pakistan verstärkt haben.

Bereits am Sonntag war ein siebenköpfiges Team der US-Bundespolizei FBI in Bombay gelandet, um bei den Ermittlungen zu helfen. Hauptverdächtig ist derzeit die pakistanische Terrorgruppe Lashkar- e-Toiba. Auch Islamabad bestreitet nicht, dass diese Organisation hinter den Attacken stehen könnte. Pakistan bestreitet nur, dass „staatliche Akteure“ beteiligt sind. So werden der Gruppe nicht nur Kontakte zu Al Qaida, sondern auch zu Pakistans Geheimdienst ISI nachgesagt. Rice forderte Pakistan auf, bei den Ermittlungen voll zu kooperieren.

Auch internationale Sicherheitsexperten sehen Terrorprofis aus dem Ausland am Werk, nicht indische Extremisten. Der Anschlag in Bombay sei „ein neuer, schrecklicher Meilenstein in der Geschichte des globalen Dschihad“, sagt der Terrorexperte Bruce Riedel, Autor des Buches „The Search for Al Qaeda“. „Keine einheimische indische Gruppe verfügt über diese Kapazitäten und Fertigkeiten. Das Ziel war es, das Symbol für Indiens wirtschaftlichen Aufstieg zu zerstören, das Vertrauen von Investoren zu untergraben und eine Krise zwischen Indien und Pakistan zu provozieren.“

Offen ist, ob auch der pakistanische Geheimdienst ISI in die Anschläge von Bombay verstrickt ist. US-Dienste glauben, dass der ISI schon beim Anschlag auf Indiens Botschaft in Kabul im August mit mehr als 40 Toten mitgewirkt hat. Die große Angst ist, dass „Schurkenelemente“ im ISI außer Kontrolle geraten sind und die US-nahe Zardari-Regierung in Islamabad destabilisieren wollen. Ein solcher Machtkampf in Pakistan würde weit nach Afghanistan und Indien ausstrahlen.

Der bisher einzige in Bombay gefasste mutmaßliche Terrorist Amir Kasav soll ausgesagt haben, die Terroristen seien über ein Jahr in Terrorcamps der Lashkar-e-Toiba in Pakistan ausgebildet worden. Auch wurden Satellitentelefone gefunden, die Anrufe nach Pakistan aufweisen. Eine E-Mail, in der sich eine unbekannte Gruppe namens „Deccan Mudjaheddin“ – offenbar ein Tarnname – zu der Terrorattacke in Bombay bekannt hatte, wurde laut Behörden nach Russland und dann nach Lahore in Pakistan zurückverfolgt. Am Montag erklärten pakistanische Taliban zudem, sie würden sehr bald Peshawar und dann ganz Pakistan einnehmen.

Derweil halten sich Gerüchte, wonach die Zahl der Todesopfer bei dem Anschlag weit höher ist als bisher bekannt. Offiziell wird sie mit 172 angegeben. Allerdings soll es schon 160 Tote gegeben haben, bevor das Hotel Taj Mahal gesichert wurde. Die „Times of India“ berichtete, dass im Taj noch 99 bis 160 Leichen geborgen wurden.

Christine Möllhoff[Neu-Delhi]

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