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Politik: Indiskret in Ankara

Der türkische Premier sagt im TV Nein zum geplanten Generalsekretär Rasmussen – ein Veto dürfte er aber nicht einlegen

Beim Nato-Gipfel am Wochenende in Straßburg hätte er offiziell nominiert werden sollen. Dass der dänische Ministerpräsident Anders Fogh Rasmussen zum 1. August Nachfolger des Niederländers Jaap de Hoop Scheffer wird, galt in Nato-Kreisen als so gut wie sicher.

Im türkischen Fernsehsender NTV hat nun aber der Ministerpräsident des NatoLandes Türkei, Recep Tayyip Erdogan, heftige Kritik an der Nominierung geäußert. Alle Entscheidungen im Bündnis müssen stets einstimmig gefällt werden. Das gilt natürlich in besonderem Maße für den prestigeträchtigen Brüsseler Schlüsselposten des Generalsekretärs. Mit dem Nachfolger de Hoop Scheffers, wer immer es auch sein wird, müssen folglich alle 26 Regierungen der Mitgliedstaaten einverstanden sein. Ein öffentlicher Widerspruch dieser Art ist in der Allianz mehr als ungewöhnlich. Normalerweise werden Personalentscheidungen der Nato im kleinen Kreis und hinter verschlossenen Türen vorbereitet.

Vor allem mit seiner Begründung der Ablehnung Rasmussens brüskiert Erdogan das westliche Bündnis: Mehrere islamische Staaten hätten ihn angerufen, ihre Verärgerung über Rasmussen zum Ausdruck gebracht und ihn beauftragt, so erklärte der türkische Regierungschef unverhüllt, im Atlantischen Bündnis deutlich zu machen, dass die islamische Welt den dänischen Ministerpräsidenten „auf gar keinen Fall“ als Nato-Generalsekretär wolle. Rasmussen wird dort vorgeworfen, dass er in der Krise um die Mohammed-Karikaturen in der dänischen Zeitung „Jyllands-Posten“ die Veröffentlichung zwar bedauert hatte, aus Respekt für die Meinungsfreiheit aber eine Entschuldigung ablehnte. Erdogan, Chef der religiös-konservativen AKP, wurde bisher in Brüssel als Garant der demokratischen Reform der Türkei gesehen.

Erdogan hatte kurz vor der Kommunalwahl am Sonntag in einem Fernsehinterview seine Abneigung gegen Rasmussen bekundet, es zugleich aber sorgsam vermieden, die Türkei auf einen Einspruch gegen dessen Kandidatur festzulegen. Die regierungsnahe Zeitung „Zaman“ zitierte Quellen im türkischen Außenministerium mit der Aussage, es sei falsch, dass die Türkei wegen der Rolle von Rasmussen in der Karikaturen-Krise und wegen der aus türkischer Sicht ungenügenden Maßnahmen Dänemarks gegen den PKK-Fernsehsender Roj-TV offiziell gegen Rasmussens Kandidatur auftrete.

Beobachter rechnen auch nicht damit, dass die Türkei beim Nato-Gipfel aktiv versuchen wird, Rasmussen zu verhindern. Kurz vor dem Besuch von US-Präsident Barack Obama in der Türkei in der kommenden Woche wäre eine solche Ablehnung ein Affront gegenüber der neuen US-Regierung. Der türkische Staatspräsident Abdullah Gül hatte sich schon vor Tagen mit Rasmussen einverstanden erklärt. Möglicherweise versucht Ankara, die Gelegenheit zu nutzen, um Dänemark zu Zugeständnissen in der PKK- Frage zu bewegen: Laut „Zaman“ kündigte die dänische Regierung unmittelbar nach Erdogans TV-Interview an, sie werde zwei Staatsanwälte in die Türkei entsenden, die Möglichkeiten für ein Verbot von Roj-TV sondieren sollten.

Am Montag wurde in den Hauptstädten und in Brüssel heftig telefoniert und spekuliert. Neue Namen seien noch nicht genannt worden, heißt es aus Nato-Kreisen. Rasmussen bleibe im Rennen, sagten westeuropäische Diplomaten. Sie hoffen auf Gül, der „offener als Erdogan“ sei. „Es wäre vermessen, schon jetzt irgendjemanden oder irgendetwas auszuschließen“, meinte ein Diplomat in Brüssel.

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