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Der deutsche Menschenrechtler Peter Steudtner in einer undatierten Aufnahme.

© dpa/privat

Inhaftierter Menschenrechtler in der Türkei: Steudtner-Anklage "liest sich wie ein schlechter Roman"

Die türkische Justiz klagt den deutschen Menschenrechtler Peter Steudtner an. Dessen Anwalt sieht rechtsstaatliche Standards verletzt - und hofft auf Freisprüche.

Die Bundesregierung hat ihren Protest gegen die Anklage der türkischen Justiz gegen den deutschen Menschenrechtler Peter Steudtner bekräftigt. „Solche Forderungen nach bis zu 15 Jahren Haft sind nicht akzeptabel. Sie sind für uns vollkommen unverständlich“, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Montag auch im Namen von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). „Wir erwarten von der Türkei, dass die deutschen Staatsangehörigen, die aus nicht nachvollziehbaren Gründen inhaftiert sind, freigelassen werden.“ Ähnlich hatte sich am Sonntag bereits Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) geäußert."

Der Anwalt des für Amnesty International tätigen Steudtner, Murat Boduroglu, kritisierte am Montag in Istanbul die Anklageschrift. Sie entspreche nicht rechtsstaatlichen Standards. „Die Anklageschrift enthält nur Behauptungen und absurde Anschuldigungen. Sie liest sich wie ein schlechter Roman.“ Wegen des Mangels an darin enthaltenen Beweisen erfülle die Anklageschrift die Vorgaben der türkischen Strafprozessordnung nicht. „Wir werden deshalb bei Gericht beantragen, dass kein Hauptverfahren eröffnet wird und dass unsere Mandanten freigelassen werden.“

Anwalt: 15 Jahre Haft drohen nur einem der Angeklagten

Die Staatsanwaltschaft hatte am Sonntag die Anklageschrift vorgelegt, in der gegen Steudtner, seinen schwedischen Kollegen Ali Gharavi und neun türkische Menschenrechtler Terrorvorwürfe erhoben werden. Darin ist kein Strafmaß genannt. Boduroglu sagte, das von türkischen Medien verbreitete Strafmaß von maximal 15 Jahren drohe nur einem der Angeklagten: Dem Vorsitzenden von Amnesty International in der Türkei, Taner Kilic, dem Mitgliedschaft in einer bewaffneten Terrororganisation vorgeworfen werde. Steudtner, Gharavi und die anderen Angeklagten würden der Unterstützung einer Terrororganisation beschuldigt, was mit maximal zehn Jahren Haft geahndet werden könne.

Boduroglu wertete es als positiv, dass die Anklageschrift so schnell eingereicht wurde. Bei anderen Untersuchungshäftlingen wie dem „Welt“-Korrespondenten Deniz Yücel liege sie immer noch nicht vor. „Nun haben unsere Mandanten die Möglichkeit, von einem richtigen Strafgericht freigesprochen zu werden, weil gar keine Beweise gegen sie vorhanden sind.“ Ohne Anklage müssten sie dagegen länger in U-Haft bleiben. Der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu hatte dem Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ gesagt, dass er sich für eine Beschleunigung des Verfahrens von Steudtner einsetzen werde.

Boduroglu - der zum Team der Anwälte von Steudtner und Gharavi gehört - sagte, angesichts der haltlosen Vorwürfe rechne er mit einem Freispruch für seine Mandanten, sollte das Verfahren eröffnet werden. „Es kann aber auch anders kommen, weil es ein politischer Fall ist.“ Der Jurist kritisierte, dass die Anklageschrift am Sonntag nicht den zuständigen Anwälten zugestellt, sondern zunächst an Medien gegeben worden sei. „Wir haben die Anklageschrift von Journalisten bekommen.“ (mes, dpa)

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