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Initiative: EU will Lobbyarbeit transparenter machen

Interessenvertreter aller Art versuchen immer mehr, Einfluß auf die Gesetzgebung der EU zu nehmen - vor allem bei heiklen Themen wie Klimawandel, Gentechnik oder Werbung für Tabak und Alkohol. Das Europaparlament versucht, mehr Licht in das Treiben der Lobbyisten zu bringen.

Das Parlament fordert ein obligatorisches Register für alle Vertreter von Industrieverbänden, aber auch von Umweltschutzgruppen und anderen Nichtregierungsorganisationen, die bei der EU-Kommission, im Europaparlament oder beim Ministerrat aktiv sind. In dem Register sollen die "finanziellen Interessen" der Lobbyisten aufgelistet werden - von wem sie bezahlt werden und in welcher Höhe. Über diese Forderungen will das Parlament am Donnerstag in Brüssel abstimmen. Er rechne damit, dass das Plenum den Vorstoß "im Großen und Ganzen" billigen werde, sagt der Vorsitzende des konstitutionellen Ausschusses, Jo Leinen (SPD). Im Parlament gebe es fraktionsübergreifend den Willen, für mehr Transparenz zu sorgen.

Regierungen sträuben sich gegen mehr Transparenz

Anschließend liege der Ball bei der Kommission und beim Rat, betont Leinen. Die Kommission wolle bisher nur ein Register auf freiwilliger Basis. Dabei gebe es gerade bei der Brüsseler Mammutbehörde "jede Menge Expertengremien", die regelmäßig  Interessenvertreter anhörten. "Wir wollen wissen, wer da ein und aus geht, wer mit am Tisch sitzt, wenn EU-Gesetze erarbeitet werden", sagt auch der Luxemburger Grüne Claude Turmes. Dies gelte auch und vor allem für den Rat, der mit dem Europaparlament  gemeinsam EU-Richtlinien und Verordnungen verabschiede. Wenn etwa die Wirtschaftsminister der 27 EU-Staaten zusammenkämen, wimmele es nur so von Lobbyisten.

Gerade im Rat sind nach Überzeugung der Parlamentarier aber die heftigsten Widerstände zu erwarten. Die Regierungen sträubten sich vehement gegen die Transparenz-Initiative, klagt Leinen. "Das wird die härteste Nuss". Das Parlament hoffe nun auf Frankreich, das im Juli für sechs Monate den EU-Vorsitz übernimmt. Paris habe immerhin angedeutet, das Thema solle auf die Tagesordnung kommen.

"Lobby-Kontaktbörse" mitten im Parlament

Für Streit dürfte auch die Frage sorgen, ob Anwälte ebenfalls zur Registrierung verpflichtet werden sollen. Für Turmes steht dies außer Zweifel. Gerade über Anwaltskanzleien in Brüssel laufe eine "besonders subtile Lobby-Arbeit", betont er. Deutsche Automobilkonzerne hätten beispielsweise Kanzleien damit beauftragt, nach juristischen Schwachstellen bei der geplanten neuen CO2-Verordnung zu suchen.

Wie intensiv Vertreter vor allem der Wirtschaft an Beratungen von EU-Gesetzen beteiligt sind, wurde erst kürzlich illustriert. Ende April kam ans Tageslicht, dass eine "Kontaktbörse" aus Industrie-Lobbyisten und Abgeordneten im Europaparlament über ein eigenes Büro mit Telefonanschluss verfügte - finanziert vom europäischen Steuerzahler. Die Mitglieder der Gruppe namens "European Parliament and Business Scheme" (EPBS) kommunizierten über E-Mail-Adressen des Parlaments. Dem setzten die  Fraktionsvorsitzenden unterdessen ein Ende.

"Arbeitsbesuche" in Unternehmen

Die Arbeitsgruppe besteht aber weiterhin. Ihr gehören neben Abgeordneten wie der Vorsitzenden des Industrieausschusses, Angelika Niebler (CSU), Vertreter etwa des französischen Atomkonzerns Areva, des Zigarettenherstellers British American Tobacco, des Münchner Flughafens, des Fußballclubs Real Madrid und des Lebensmittelmultis Unilever an. Dank dieser "Kontaktbörse" werden Abgeordnete etwa zu "Arbeitsbesuchen" in Unternehmen eingeladen. Und nicht wenige Parlamentarier vermuten, dass auf diese Weise so manche Änderungsvorschläge für unliebsame Gesetzesvorhaben der EU zustandekommen. (AFP)

Jutta Hartlieb

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