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Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU).

© dpa

Initiative Ursula von der Leyens: Der Brexit als Chance für eine EU-Verteidigungspolitik

Verteidigungsministerin von der Leyen will das "Momentum" nach dem Brexit für eine gemeinsame EU-Verteidigungspolitik nutzen. Das erklärt sie bei einer Buchvorstellung in Berlin.

Die Vorhänge vorne im Eckzimmer des Hotels Adlon, von dem man einen Blick auf das Brandenburger Tor hat, sind zugezogen. Es herrscht gedämpfte Atmosphäre. Sie passt zur Nachdenklichkeit, die jenes Thema stets auslöst, das an diesem Donnerstagmittag hier diskutiert werden soll. „Europa ist tot, es lebe Europa!“ lautet der Titel des Buches des Publizisten Thomas Schmid, das vorgestellt wird.

Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) betritt mit schnellen Schritten den Raum, sie lächelt in die Kamera. Das Lächeln von Schmid ist etwas schmaler. Der frühere Chefredakteur und Herausgeber der „Welt“ findet keineswegs nur Positives an der EU, vor allem mit der Währungsunion geht er in seinem Buch scharf ins Gericht. Der Euro, sagt Schmid, habe den Norden und Süden der EU „auseinanderdividiert“ und sei „noch längst nicht über dem Berg“.

Und doch ist Schmids vor allem unter dem Eindruck des EU-Versagens in der Flüchtlingskrise entstandene Buch eine, wie die Ministerin in ihrer Kurzkritik sagt, „kaschierte Liebeserklärung an Europa“. Leyen lobt den „breiten Fundus historischen Wissens“, der dem Leser die kulturellen und geschichtlichen Befindlichkeiten in den (noch) 28 EU-Staaten nahebringt, die allzu oft angesichts der technisch anmutenden Brüsseler Debatten untergehen.

In dem Buch beschreibt Schmid die verpasste Chance, die ein Ende der EU bedeuten würde, folgendermaßen: „Das Rendezvous zwischen Europas Osten und Europas Westen, das nun schon seit einem Vierteljahrhundert ansteht, käme wohl nicht mehr zustande. Der alte Nord-Süd-Streit, in dem es nicht nur um unterschiedliche Wirtschaftsweisen, sondern auch um unterschiedliche Vorstellungen vom Sinn des Lebens und vom Glück ging, wäre ergebnislos beendet, wort- und grußlos verließen die Kämpen vermutlich die Arena.“

Ohne die EU droht "totale Bedeutungslosigkeit"

Auch von der Ministerin will die Moderatorin, Mariam Lau von der „Zeit“, wissen, was es bedeuten würde, wenn es die EU nicht mehr gäbe. Leyen muss kurz überlegen, bevor sie sagt: „Fall in totale Bedeutungslosigkeit“. Sie verdeutlicht das am Fall Großbritanniens, dessen Gewicht nach dem Brexit-Votum im UN-Sicherheitsrat geschwunden sei. Leyens Bekenntnis zur EU ist eng mit ihrer Vita verbunden; die gebürtige Brüsselerin ist in der dortigen Europaschule, wie sie erzählt, „mit den anderen Nationen aufgewachsen“.

Dabei, und das wird in dem Podiumsgespräch ebenfalls deutlich, hat sie sich die einst von ihr vertretene romantische Vision der „Vereinigten Staaten von Europa“ inzwischen unter dem Eindruck der europapolitischen Praxis abgeschminkt. Was aber nicht heißt, dass sie die neue politische Lage, die mit dem britischen Referendum entstanden ist, nicht doch auf dem Feld der Verteidigungspolitik nutzen will.

Der Brexit, sagt die Ministerin, bringe „ein Momentum“ mit sich, zumal auch Frankreich inzwischen bereit sei, in die Richtung einer gemeinsamen europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik zu gehen. Die jüngste deutsch-französische Verteidigungsinitiative, der zufolge unter anderem ein permanentes gemeinsames EU-Militärhauptquartier geplant ist, sei offen für alle EU-Staaten, wirbt Leyen für den Vorstoß. An diesem Freitag kann Kanzlerin Angela Merkel (CDU) beim informellen Gipfel in Bratislava testen, wie die Initiative ankommt.

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